1990–1999
Geduld in Bedrängnis
April 1992


Geduld in Bedrängnis

„Die große Herausforderung in diesem Leben besteht also nicht darin, daß wir es schaffen, den Bedrängnissen und Problemen zu entkommen, sondern vielmehr darin, daß wir uns gründlich darauf vorbereiten, uns ihnen zu stellen.”

Zu einer Zeit, als die Verfolgung gegen die neugegründete Kirche gerade zunahm, sagte der Herr zu Joseph Smith und Oliver Cowdery: „Sei geduldig in deinen Bedrängnissen, denn du wirst viele haben; aber ertrage sie, denn sieh, ich bin mit dir, ja, bis ans Ende deiner Tage.” (LuB 24:8.)

Drangsal, Bedrängnisse und Prüfungen begleiten uns in diesem Abschnitt der Ewigkeit unablässig, so wie der Herr es gesagt hat: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis.” (Johannes 16:33.) Die große Herausforderung in diesem Leben besteht also nicht darin, daß wir es schaffen, den Bedrängnissen und Problemen zu entkommen, sondern vielmehr darin, daß wir uns gründlich darauf vorbereiten, uns ihnen zu stellen.

Ich sage vorbereiten, weil man sich unablässig bemühen muß, geduldig zu werden. Indem man Geduld übt, lernt man sie auch verstehen und wird geduldiger.

Aus dem Gefängnis in Liberty, in einer Zeit der inneren Qual und des großen Leidens um des Evangeliums willen schrieb der Prophet Joseph Smith den Heiligen folgendes: „Liebe Brüder, denkt nicht, daß wir etwa kleinmütig seien, wie wenn uns etwas Seltsames zugestoßen wäre; denn wir haben das alles vorhergesehen, und es ist uns zu einer Gewißheit geworden. Wir sind uns einer besseren Hoffnung gewiß, als unsere Verfolger sie haben. Deshalb hat Gott uns breite Schultern gegeben, damit wir es tragen können. Wir frohlocken in unserer Drangsal, weil wir wissen, daß Gott mit uns ist, daß er unser Freund ist und unsere Seelen erretten wird.” (Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 126.)

Wir müssen Geduld haben, um Schmerz und Kummer und zwar ohne Klage und Entmutigung, die uns ja vom Geist abbringen. Angesichts von Drangsal und Verfolgung um der Sache der Wahrheit willen brauchen wir Geduld, denn damit geben wir ein Beispiel; denn die Art, wie wir unser Kreuz tragen, hilft anderen, ihre Last leichter zu tragen.

Das muß in derselben Weise und im selben Geist geschehen, der die Söhne Mosias bewegte, als der Herr ihnen diese Aufgabe anvertraute: „Geht hin zu den Lamaniten, euren Brüdern, und richtet mein Wort auf; doch sollt ihr in langen Leiden und in Bedrängnissen geduldig sein, damit ihr ihnen gutes Beispiel in mir zeigt, und ich will euch zu einem Werkzeug in meiner Hand machen, um viele Seelen zu erretten.” (Alma 17:11.)

Geduld muß auf der Reise, die uns an unser großes Ziel führt, unser ständiger Begleiter sein. Der Herr hat den Ältesten der Kirche folgenden Rat gegeben: „Bleibt geduldig, bis ihr vollkommen geworden seid.” (LuB 67:13.)

Eins der besten Beispiele für Geduld eins, das uns zeigt, was Geduld in Ewigkeit für uns bewirkt, finden wir in den Worten des Paulus: „Ist es vielleicht etwas Besonderes, wenn ihr wegen einer Verfehlung Schläge erduldet? Wenn ihr aber recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, das ist eine Gnade in den Augen Gottes.” (l Petrus 2:20.)

Geduld in Bedrängnis und Unglück bedeutet, daß man fest bleibt und niemals von dem läßt, was man als wahr erkannt hat, und daß man fest darauf hofft, daß man zu der vom Herrn bestimmten Zeit schon verstehen wird, was man jetzt noch nicht versteht und was einem Leid verursacht.

So wird Maleachis Verheißung Wirklichkeit: „Dann werdet ihr wieder den Unterschied sehen … zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient.” (Maleachi 3:18.) Der glaubenstreuen Schwester, deren Sohn ums Leben kam, während er auf Mission war, drängen sich viele Fragen auf, Fragen, die auch von Ungläubigen gestellt werden und die Zweifel wecken, zum Beispiel: „Warum ist mein Sohn gestorben, obwohl er ein guter Missionar und ein guter Sohn war?” „Mein Sohn hat dem Herrn gedient und war seinen Brüdern, die sich auch auf eine Mission vorbereiten, ein Vorbild. Warum?”

Geduld in Bedrängnis und Leid bedeutet, daß man auf alle diese Fragen so antwortet wie sie, nämlich: „Ich weiß es nicht, und ich habe auch nicht alle Antworten, aber das eine weiß ich: Nach dem Zeitplan des Herrn werde ich meinen Sohn wiedersehen und wieder mit ihm Zusammensein.”

Die Antwort dieser Schwester ist wohl von demselben Geist eingegeben, der Nephi diese Worte eingegeben hat: „Ich weiß, daß er seine Kinder liebt; aber die Bedeutung von allem weiß ich nicht.” (l Nephi 11:17.) Welch wunderschönes Beispiel für Glauben, der auch angesichts des Unbekannten Zuversicht schenkt.

Angesichts der Verfolgung und der Drohungen, denen die Urchristen ausgesetzt waren, kam ihre vom Zeugnis erfüllte Geduld in ihrem Glauben und ihrer Hoffnung zum Ausdruck, wie zum Beispiel in den folgenden Worten des Paulus: „Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht; wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet.

Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird. … Denn wir wissen, daß der, welcher Jesus, den Herrn, auf erweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns zusammen mit euch (vor sein Angesicht) stellen wird. … Darum werden wir nicht müde; wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.

Denn die kleine Last unserer gegenwärtigen Not schafft uns in maßlosem Übermaß ein ewiges Gewicht an Herrlichkeit.” (2Korinther 4:8-10,14,16,17.)

Geduld in Bedrängnis und Leiden kennzeichnen auch das Leben Christi, unseres großen Vorbilds. In den Augenblicken großen Leidens und der Schmerzen in Getsemani konnte er doch in inbrünstigem Gebet sagen: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.” (Matthäus 26:39.) Das kann uns als Beispiel für ein Leben in Gehorsam und Standhaftigkeit dienen, trotz der äußeren Umstände, in denen wir uns befinden.

Wie oft beenden wir unser Gebet mit dem Satz: „Wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.”?

Unter Umständen, wo der symbolische Kelch Krankheit, Schmerz, Sorge, Arbeitslosigkeit oder das Leiden eines geliebten Menschen sein mag, können wir dann weiterbeten: „Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst”? Dieses Wort, dieses aber bringt die feste Überzeugung zum Ausdruck, daß wir alles dem Herrn in die Hand geben.

Wenn wir auf unserer Reise durch das Leben manchmal mit der Kritik von Skeptikern zu tun haben, wenn manche Menschen uns hassen, andere uns ablehnen, viele ungeduldig sind oder ein Freund uns verrät, dann müssen wir so beten können, daß der beständige Glaube und das starke Zeugnis, daß der Herr bis ans Ende mit uns ist, uns dazu bewegen, daß wir sagen: „Aber, Vater, es geschehe, wie du willst, und mit deiner Hilfe will ich fest auf dem Weg bleiben, der mich zu dir zurückbringt.”

Im Jahre 1833 tröstete der Herr durch den Propheten Joseph Smith die Heiligen, „die bedrängt und verfolgt und aus dem Land ihres Erbteils ausgestoßen worden” waren (LuB 101:1) mit den ermutigenden und hoffnungweckenden Worten: „Darum möge sich euer Herz … trösten, denn alles Fleisch ist in meiner Hand; seid ruhig und wißt, daß ich Gott bin.” (LuB 101:16.)

Zu Henoch, der eine unbeholfene Sprache hatte, sagte der Herr in einer Zeit großer Bedrängnis: „Tue deinen Mund auf, und er wird erfüllt werden, und ich werde dir zu reden eingeben; denn alles Fleisch ist in meiner Hand, und ich werde tun, wie es mir gut scheint.” (Mose 6:32.) Zu Joseph Smith sagte der Herr in Augenblicken der Prüfung und in bezug auf seine Feinde: „Halte auf deinem Weg aus, … denn ihre Grenzen sind festgesetzt, sie können nicht darüber hinaus.” (LuB 122:9.) Diese wichtigen Ratschläge wurden Menschen gegeben, die sich in einer widrigen Lage befanden: „Alles Fleisch ist in meiner Hand”, „Wißt, daß ich Gott bin”, „Ich werde tun, wie es mir gut scheint”, „Ihre Grenzen sind festgesetzt, sie können nicht darüber hinaus”. In Augenblicken der Prüfung appellieren diese Worte an unsere Geduld und Standhaftigkeit, die auf Grundsätzen beruhen, die an sich schon ein Zeugnis sind.

Laut den Worten des Herrn besteht ewiges Leben darin, Gott zu erkennen (siehe Johannes 17:3). Das bedeutet, daß man auch seine Eigenschaften kennt und ein Zeugnis von ihm hat. Wenn wir Gott erkennen, dann erkennen wir auch uns selbst, denn wie der Prophet Joseph Smith gesagt hat: „Wenn der Mensch das Wesen Gottes nicht begreif t, dann begreift er auch sich selbst nicht.” (Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 351.) Gott erkennen ist viel mehr als nur über Gott reden. Elder Bruce R. McConkie hat erklärt, es bedeute, „zu denken, wie er denkt, zu fühlen, wie er fühlt” (Doctrinal New Testament Commentary, Salt Lake City, 1973, 1:762).

Wie können wir etwas anderes tun, als in den Prüfungen des Lebens geduldig auszuharren, wenn wir Gott erkennen und wissen, daß er allmächtig ist? Mit Nephi können wir sagen: „Er ist mächtiger als die ganze Erde.” (l Nephi 4:1.) Wir wissen, daß er allwissend ist, und können davon Zeugnis geben, und mit Lehi können wir sagen: „Alles geschah gemäß der Weisheit dessen, der alles weiß.” (2 Nephi 2:24.)

Gestützt auf diese Erkenntnis und verankert im starken Zeugnis von den Eigenschaften des himmlischen Vaters wartet ein glaubenstreuer Heiliger der Letzten Tage - statt zu verzweifeln, weil eins seiner Ziele nicht in Erfüllung gegangen ist, weil sein Zeitplan die Probleme nicht löst oder weil kein Trost kommt, um die Unruhen der heutigen Zeit auszulöschen - geduldig ab, daß die Verheißungen in Erfüllung gehen, nach dem Zeitplan des Herrn, der „alle die Zeiten kennt, die dem Menschen bestimmt sind” (Alma 40:10). Ein glaubenstreuer Heiliger der Letzten Tage wartet geduldig, weil Glaube, das „Feststehen in dem, was man erhofft” (Hebräer 11:1), mit der Überzeugung ausgeübt wird, daß die Verheißungen „zu der von ihm bestimmten Zeit … auf seine Weise und gemäß seinem eigenen Willen” in Erfüllung gehen werden (siehe LuB 88:68).

Gott lebt wirklich, und er erfüllt seine Verheißungen tatsächlich, und den vielen Zeugnissen, die schon gegeben worden sind, füge ich meines hinzu. Ich weiß, wenn wir geduldig im Glauben ausharren, werden wir mit Trost und Hoffnung gesegnet, auch wenn Bedrängnis und Trübsal über uns kommen, und wir können die „unfaßbare Freude” erfahren, die Ammon und seine Brüder erfahren haben (siehe Alma 27:17,18; 28:8).

Deshalb sage ich mit den Worten von Joseph Smith: „Steht fest, Ihr Heiligen Gottes, haltet noch eine kleine Weile aus, denn der Sturm des Lebens wird vorübergehen, und Ihr werdet Euren Lohn von dem Gott bekommen, dessen Knechte Ihr seid und der all Euer Mühen und Eure Bedrängnisse um Christi und des Evangeliums willen dereinst recht würdigen wird.” (Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 185.)

Das sage ich im Namen Jesu Christi. Amen.