1990–1999
Seid Männer!
April 1992


Seid Männer!

„Der wahre Mann ist einer, der sich den Eingebungen des Heiligen Geistes überläßt und bemüht ist, sich christusgleiche Tugenden anzueignen.”

Ein junger Mann im Diakonsalter hat berichtet: „Ich kriege von meinen Freunden viel Druck; sie wollen, daß ich rauche und stehle und solche Sachen. … Meine besten Freunde nötigen mich dazu. Sie sagen, ich bin ein Weichling und ein Muttersöhnchen, wenn ich es nicht tue. Ich halte überhaupt nichts davon, zu rauchen, aber mein Freund Steve hat vor den anderen zu mir gesagt:, Kevin, du bist ein Blindgänger und ein Waschlappen, verpackt in einen Gartenzwerg.’” (J. Santrock, Adolescence; Hervorh. v. Verf.)

Ein achtzehnjähriger Priester brachte vor: „Einmal ließ ich mich überreden, mit einer Gruppe an einem Wochenendausflug teilzunehmen. Sie hatten mir gesagt, für den Tag seien eine Besichtigung, dann ein Mittagessen und ein Kinobesuch geplant. Sie versprachen mir, es werde nichts Ungehöriges geben. Alle … wußten, daß ich Heiliger der Letzten Tage bin … und mich streng nach den sittlichen Grundsätzen der Kirche richte.

Als wir in der Stadt ankamen, besuchten wir ein paar historische Gedenkstätten und aßen dann zu Mittag. Dann geschah das Unvermeidliche: die Gruppe begab sich zu einer Bar und einem Bordell. Ich weigerte mich, diese üblen Lasterstätten zu betreten, und brachte meinen Ärger über das gebrochene Versprechen meiner Kameraden offen zum Ausdruck.

Als ich wegging, … verhöhnten sie mich und riefen mir nach:, Wann wirst du denn endlich erwachsen sein?’, Wann hörst du schon auf, so eine Flasche und ein religiöser Fanatiker zu sein?’, Wann bist du endlich ein Mann?’” (Carlos E. Asay, In the Lord’s Service, Salt Lake City, 1990, Seite 46.)

Wer ist ein Mann?

Anscheinend wird jeder einmal von seinen gleichaltrigen Freunden aufgefordert, zu rauchen, zu trinken, zu stehlen oder etwas anderes Unsittliches zu tun - alles, weil es angeblich zeigt, daß man ein Mann geworden ist. Und wenn sich einer weigert mitzumachen, wird er lächerlich gemacht und mit Schimpfnamen wie Weichling, Muttersöhnchen, Blindgänger, Waschlappen, Flasche und religiöser Fanatiker belegt. Diese Bezeichnungen werden von den Gleichaltrigen verwendet, weil sie das Mannsein gleichsetzen mit der Fähigkeit, Alkohol zu schlucken, Tabakrauch aus den Gesichtsöffnungen zu blasen, sich wie irgendein Tier die Hörner abzustoßen und ohne jede Gewissensregung die Sittengesetze zu brechen.

Wir sehen an den Litfaßsäulen, in Zeitschriften und am Fernsehschirm die bunte Reklame, die Zigaretten, Bier und andere Laster anpreist. Den Leuten, die mit hinterlistiger Taktik ihre Erzeugnisse vertreiben, sind die jungen Menschen egal; ihnen kommt es nur aufs Geld an. Sie wollen uns glauben machen, jemand sei ein Mann, wenn er eine Zigarette oder ein Glas mit Alkohol in der Hand hält, während er in Wirklichkeit nichts anderes ist als der Sklave einer zerstörerischen Substanz. Sie möchten uns glauben machen, jemand sei ein Mann, wenn er sich auf unerlaubten Sex einläßt, während er in Wirklichkeit nichts anderes tut, als die zu schmähen, die „zart und keusch und empfindsam” sind (Jakob 2:7). Sie möchten uns glauben machen, daß brutale Gewalt, rohes Benehmen, Unbeherrschtheit, ordinäres Reden und ungepflegtes Aussehen den Mann ausmachen, während diese Merkmale bestenfalls nur Triebhaftigkeit erkennen lassen, schlimmstenfalls aber das Gegenteil von Mannestum sind.

Wir, die wir das Priestertum tragen, müssen auf der Hut sein; wir dürfen uns in unserem Bestreben, Männer zu werden, nicht von den Stimmen der Ungesitteten beeinflussen lassen (siehe l Korinther 14:8-11). Wir dürfen nicht vergessen, daß Gott den Menschen als sein Abbild geschaffen hat und vom Menschen erwartet, daß ihm in seinem Gesichtsausdruck das Abbild Gottes aufgeprägt ist (siehe Genesis 1:27 und Alma 5:14,19).

„Was ist der Mensch?” fragt der Psalmist, und antwortet: „Du [Gott] hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.” (Psalm 8:4-6.) Es ist daher unsere Aufgabe, ständig nach oben zu streben und die von Gott verliehene Krone ehrenhaft zu tragen. Die jungen Männer, besonders diejenigen, die einem „auserwählten Geschlecht”, einer „königlichen Priesterschaft” angehören, müssen wissen, daß sie Geistkinder Gottes sind und daß man erst dann wirklich ein Mann ist, wenn man den Vater der Geister verehrt und sich in Gedanken und Worten und im Handeln von der inneren Stärke leiten läßt. (Siehe l Petrus 2:9; Apostelgeschichte 17:28; Hebräer 12:9.)

Wodurch wird ein Mann zum Mann?

„Wodurch wird ein Mann zum Mann?” Wir wollen das Buch Mormon aufschlagen und uns die Antwort von Lehi holen. Kurz vor seinem Tod forderte er seine Söhne auf: „Erhebt euch aus dem Staub, … und seid Männerl” (2 Nephi 1:21; Hervorh. v. Verf.)

„Oh, daß ihr erwachtet aus einem tiefen Schlaf, ja, aus dem Schlaf der Hölle, und die furchtbaren Ketten abschütteltet, womit ihr gebunden seid!” (Vers 13.)

„Seid mit festem Vorsatz eines Sinnes und eines Herzens - einig in allem!” (Vers 21.)

„Legt die Waffenrüstung der Rechtschaffenheit an! … Kommt hervor aus dem Dunkel! … Lehnt euch nicht … auf!” (Vers 23, 24.)

  • Die Aufforderung, sich aus dem Staub zu erheben, bedeutet, das böse Verhalten abzulegen, weil es den Charakter zerstört und das Leben ruiniert. Körperliche Begierden müssen im Zaum gehalten werden.

  • Aus einem tiefen Schlaf zu erwachen, ja, aus dem Schlaf der Hölle, das deutet darauf hin, daß man lernen und sich der heiligen Absichten Gottes bewußt werden muß. Kein Schlaf ist tiefer und tödlicher als der Schlaf der Ignoranz.

  • Die furchtbaren Ketten abzuschütteln, womit man gebunden ist, das zeigt, wie notwendig es ist, schlechte Gewohnheiten abzulegen, auch die scheinbar kleinen, die dann aber zu „Ketten der Hölle” werden (siehe 2Nephi 26:22; Alma 5:7).

  • Mit festem Vorsatz eines Sinnes und eines Herzens zu sein - einig in allem, das erfordert, daß man sich völlig der Rechtschaffenheit und der Zielstrebigkeit verpflichtet, so daß sich der eigene Wille mit dem Willen Gottes vereint.

  • Die Waffenrüstung der Rechtschaffenheit anzulegen, das erinnert uns daran, daß es notwendig ist, den Helm der Errettung zu tragen, das Schwert der Wahrheit zu ergreifen, den Schild des Glaubens zu benutzen und alles anzunehmen, womit der Herr uns schützend bedeckt. (Siehe Epheser 6:11-18.)

  • Aus dem Dunkel hervorzukommen ist die Anweisung, ein gutes Vorbild zu sein und

  • Sich nicht aufzulehnen ist ein klarer Hinweis auf die Tatsache, daß es eine vergeudete Anstrengung ist, wenn man Gebote nicht beachtet oder gar vorsätzlich bricht.

Eine bösartige Lüge

Unter den Heiligen der Letzten Tage kursiert eine Lüge - eine bösartige Lüge -, die unter den Jugendlichen ihren Zoll fordert. Sie besagt, ein „ausgeglichener Mensch” sei jemand, der sich bewußt davor hütet, allzu rechtschaffen zu werden. Diese Lüge will euch glauben machen, man könne gut und glücklich leben als „Mann mit zwei Seelen”,

den einen Fuß in Babel, den anderen in Zion. (Siehe Jakobus 1:8.)

Mir gefällt die Geschichte von den zwei jungen Männern, die in einem Kloster erzogen worden waren. Eines Morgens, als sie auf Abenteuer aus waren, kamen sie an einer Kathedrale vorüber. Dem rechtschaffeneren von den beiden fiel ein, daß sie an dem Tag noch nicht gebetet hatten, und so sagte er: „Wie können wir hoffen, Gott werde uns den heutigen Tag segnen?”

Der weniger rechtschaffene erwiderte: „Mein Freund, ich habe in den letzten zwei Monaten so viel gebetet, daß ich das Gefühl habe, ich hätte des Guten zuviel getan.”

„Man kann gar nicht fromm genug sein”, sagte der erste. „Das ist das einzige, worauf es ankommt. Der Mensch ist nur ein Tier, wenn er von Tag zu Tag lebt, ißt und trinkt, atmet und schläft. Nur wenn er sich erhebt und sich mit dem unsterblichen Geist, der in ihm ist, befaßt, wird er in Wahrheit zum Menschen. Bedenke, wie traurig es wäre, wenn der Erlöser sein Blut umsonst vergossen hätte.” (A. Conan Doyle, „The White Company”, in Works of A. Conan Doyle, New York, Cosmopolitian Book Corporation, 1988, Seite 58,59, Hervorh. v. Verf.)

Kann man allzu rechtschaffen sein? Allzu christusähnlich? Das ist unmöglich! Kann der sogenannte „ausgeglichene Mensch” denn auf die Dauer auf dem scharfen Grat zwischen Gut und Böse gehen? Nein, denn jeder Schritt ist unsicher, und schließlich wird er schwanken und fallen und an den Geboten Gottes zerschellen.

Sinnlichkeit war noch nie ein Zeichen von Männlichkeit und wird es auch nie sein. Der wahre Mann ist einer, der sich den Eingebungen des Heiligen Geistes überläßt und bemüht ist, sich christusgleiche Tugenden anzueignen. Der wahre Mann ist einer, der es zuläßt, daß der Geist die Richtung bestimmt und das Zeitmaß in seinem Leben angibt. „Denkt daran: Fleischlich gesinnt zu sein ist Tod, und geistig gesinnt zu sein ist ewiges Leben!” (2 Nephi 9:39.)

Beispiele von Mannhaftigkeit

Ein Mann Christi stand am 1. Oktober 1959 vor 1500 Menschen in einer Kirche unweit des Kremls und bezeichnete furchtlos Jesus als den großen Erlöser. Mit bewegter Stimme verkündete er:

„Ich glaube unerschütterlich an das Beten. Es ist möglich, aus sich herauszugehen und sich die unsichtbare Macht nutzbar zu machen, die uns in Zeiten der Not soviel Kraft und Rückhalt bietet. Fürchtet euch nicht. Haltet seine Gebote. Liebt einander. Liebt alle Menschen. Bemüht euch um Frieden, dann wird alles gut sein. Die Wahrheit bleibt bestehen. Die Zeit ist auf der Seite der Wahrheit.” (Siehe Ezra Taft Benson, Cross Fire: The Eight Years with Eisenhower, Garden City, New York, Doubleday and Co., 1962, Seite 485f.)

Die Anwesenden schämten sich ihrer Tränen nicht, auch nicht die Reporter, die nur zögernd an dem Gottesdienst teilgenommen hatten. Einer von ihnen, ein früherer Marinesoldat, zählte dieses Ereignis zu seinen zwei geistigsten und denkwürdigsten Erlebnissen.

An jenem besonderen Tag stand in der Kathedrale in Rußland ein wahrhafter Mann. Sein Name: Ezra Taft Benson - derselbe, der heute als Prophet über die Kirche präsidiert.

Parley P. Pratt liefert uns das Bild eines wirklichen Mannes, nämlich in der Schilderung seiner Haft zusammen mit Joseph Smith und anderen in Richmond, Missouri. An einem der schrecklichen Abende dort im Gefängnis waren Bruder Pratt und seine Gefährten den gemeinen Reden der Wachen ausgesetzt, die damit prahlten, daß sie Vergewaltigung, Mord, Raub und andere Verbrechen an den Mormonen begangen hatten. Als der Prophet Joseph Smith es nicht länger ertragen konnte, stand er auf und sagte mit wahrer Donnerstimme:

„SCHWEIGT, ihr Unholde aus den Tiefen der Hölle! Im Namen Jesu Christi weise ich euch zurecht, und ich befehle euch, still zu sein. Ich will auch nicht eine Minute mehr leben und solche Reden erdulden. Hört damit auf, sonst werdet ihr oder ich IN DIESEM AUGENBLICK sterben!”

Dazu Elder Pratt: „Ich habe in den englischen Gerichtshöfen die Diener der Gerechtigkeit in ihren langen Roben gesehen; ich habe den Kongreß in feierlicher Sitzung miterlebt … ; ich habe versucht, mir Könige vorzustellen … und Kaiser, wie sie über das Schicksal ihrer Reiche entschieden - aber Würde und Majestät habe ich nur ein einziges Mal erlebt, nämlich in Ketten um Mitternacht in einem Kerker in einem unbedeutenden Dorf in Missouri.” (Parley P. Pratt, Autobiography of Parley P. Pratt, Salt Lake City, DeseretBook Co., 1985, Seite 179, 180.)

Das war ein Mann: Joseph Smith, der Prophet der Wiederherstellung.

Der Erretter, das vollkommene Vorbild der Mannhaftigkeit, stand vor seinen Peinigern - gegeißelt, geschlagen, angespuckt und mit einer Dornenkrone verhöhnt. Pilatus gab zu: „Ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen.” Und dann sprach er diese unwiderlegbaren und durchdringenden Worte aus: „Seht, da ist der Mensch!” (Johannes 19:4,5.)

Jesus, unser Erretter, war der Mensch und Mann schlechthin, denn er „wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen” (Lukas 2:52). Er ordnete das Fleisch dem Geist unter und gab keiner Versuchung nach (siehe Mosia 15:1-8); er lernte durch Leiden den Gehorsam (siehe Hebräer 5:8); er wuchs von Gnade zu Gnade (siehe LuB 93:12-14), oder um es mit den Worten Shakespeares zu sagen:

Sanft war sein Leben, und so mischten sich die Element’ in ihm, daß die Natur aufstehen durfte und der Welt verkünden: Dies war ein Mann! (Julius Cäsar, V, 5, 73-75.)

Somit ist er, der einzige sündenlose und vollkommene Mensch, der je auf Erden wandelte, zu der Aussage berechtigt: „Was für Männer sollt ihr sein? Wahrlich, ich sage euch: So, wie ich bin.” (3 Nephi 27:27.)

König David unterwies seinen Sohn Salomo: „Sei also stark und mannhaft! Erfüll deine Pflicht gegen den Herrn, deinen Gott: Geh auf seinen Wegen, und befolg alle Gebote, Befehle, Satzungen …, dann wirst du Erfolg haben in allem, was du tust.” (l Könige 2:2,3; Hervorh. v. Verf.) Ich wiederhole diese Anweisung: Seid mannhaft! Seid Männer! Seid Männer Christi! Seid Männer Gottes! Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.