2016
Ein wahres Kind des Millenniums
October 2016


Ein wahres Kind des Millenniums

Nach der Ansprache „Ein wahres Kind des Millenniums werden“, die am 10. Januar 2016 bei einer Andacht für junge Erwachsene in aller Welt an der Brigham-Young-Universität Hawaii gehalten wurde. Die vollständige Ansprache findet man unter broadcast.lds.org.

Ihr seid eine auserwählte Generation, von Gott zu einem bemerkenswerten Werk vorherordiniert, nämlich die Menschen dieser Welt auf das Zweite Kommen vorzubereiten.

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young adults carrying electronic devices

Illustrationen von Scotty Reifsnyder

Viele bezeichnen euch als Millennials, also als Kinder des Millenniums. Ich muss zugeben, dass es mir ein wenig Unbehagen bereitet, wenn die Wissenschaft euch so betitelt und Studien über eure Vorlieben und Abneigungen, eure Gefühle und Neigungen, eure Stärken und Schwächen anstellt. Mich stört etwas an der Art und Weise, wie der Begriff gebraucht wird. Aber offen gesagt interessiert mich das, was die Fachleute über euch zu sagen haben, nicht so sehr wie das, was mir der Herr über euch gesagt hat.

Wenn ich euretwegen bete und den Herrn befrage, wie er zu euch steht, verspüre ich etwas vollkommen anderes als das, was die Forschung sagt. Die geistigen Eindrücke, die ich euretwegen empfangen habe, bringen mich zu der Überzeugung, dass die Bezeichnung Kind des Millenniums eigentlich ausgezeichnet zu euch passt, aber aus einem ganz anderen Grund, als den Fachleuten wohl jemals aufgehen würde.

Die Bezeichnung Kind des Millenniums trifft genau auf euch zu, solange sie euch daran erinnert, wer ihr wirklich seid und was der wahre Sinn eures Lebens ist. Ein wahres Kind des Millenniums hat im vorirdischen Dasein das Evangelium Jesu Christi gelehrt und ist darin unterwiesen worden. Es hat dort mit dem Vater im Himmel Bündnisse geschlossen, die während seines Aufenthalts auf Erden Mut erfordern, ja, auch Mut in sittlichen Fragen.

Ein wahres Kind des Millenniums ist jemand, dem Gott so sehr vertraut, dass er ihn in der anspruchsvollsten Evangeliumszeit der Weltgeschichte zur Erde gesandt hat. Ein wahres Kind des Millenniums lebt in dieser Zeit, um die Menschen dieser Welt auf das Zweite Kommen Jesu Christi und auf dessen Herrschaft im Millennium vorzubereiten. Es besteht kein Zweifel, dass ihr dazu geboren seid, ein wahres Kind des Millenniums zu sein.

Die Frage ist: Wie könnt ihr als wahres Kind des Millenniums auftreten und leben? Ich habe vier Vorschläge.

1. Findet heraus, wer ihr wirklich seid

Nehmt euch doch einmal die Zeit, gebeterfüllt über diese Tatsachen nachzudenken:

  • Ihr seid ein auserwählter Sohn oder eine auserwählte Tochter Gottes.

  • Ihr wurdet als sein Abbild erschaffen.

  • Ihr wurdet in der Geisterwelt unterrichtet, damit ihr in diesem letzten Abschnitt der Letzten Tage auf alles und jedes vorbereitet seid, was euch widerfahren mag (siehe LuB 138:56). Was ihr gelernt habt, verbleibt bei euch!

Ihr lebt derzeit in der „elften Stunde“. Der Herr hat verkündet, dass er seine Arbeiter nun zum letzten Mal in den Weingarten schickt, um die Auserwählten von den vier Enden der Erde zu sammeln (siehe LuB 33:3-6). Und euch wurde aufgetragen, euch an dieser Sammlung zu beteiligen. Immer und immer wieder habe ich selbst erlebt, wie wahre Kinder des Millenniums machtvoll ihren Einfluss ausüben und anderen die Wahrheit nahebringen. Das ist Teil eurer Identität und eurer Aufgabe als Nachkommen Abrahams (siehe Galater 3:26-29)!

Vor mehreren Monaten habenmeine Frau Wendy und ich im fernen Sibirien etwas Bemerkenswertes erlebt. An unserem Vorbereitungstag waren wir zusammen mit dem Missionspräsidenten Gregory S. Brinton, seiner Frau Sally und ihrem Sohn Sam, der kürzlich in Russland auf Mission gewesen war, in Irkutsk unterwegs. Wir besuchten den schönen Baikalsee und einen Marktplatz an seinem Ufer.

Als wir zum Auto zurückkamen, stellten wir fest, dass Sam verschwunden war. Wenig später tauchte er wieder auf, zusammen mit einer Frau mittleren Alters namens Valentina. Begeistert rief sie in ihrer russischen Muttersprache aus: „Ich möchte die Mutter dieses jungen Mannes kennenlernen. Er ist so höflich, intelligent und nett. Ich möchte unbedingt seine Mutter kennenlernen!“ Valentina hatte sich von Sams strahlendem, lichterfülltem Gesicht angezogen gefühlt.

Sam stellte Valentina seinen Eltern vor, gab ihr eine Broschüre über den Erlöser und sorgte dafür, dass die Missionare sie besuchten. Die Missionare kamen dann und überreichten ihr ein Buch Mormon. Sie versprach, darin zu lesen. Einige andere Frauen, die auch auf dem Markt arbeiten, waren von dem Buch, das Valentina erhalten hatte, ebenfalls sehr angetan. Wir kennen das Ende der Geschichte noch nicht, doch wegen des Lichts, das Sam ausstrahlte und das einfach auffiel, haben Valentina und einige ihrer Bekannten nun das Evangelium kennengelernt.

Wahre Kinder des Millenniums wie Sam wissen, wer sie wirklich sind. Sie sind eifrige Jünger Jesu Christi, die instinktiv jede Gelegenheit ergreifen, sich selbst und andere auf die Herrschaft unseres Erretters im Millennium vorzubereiten.

Deshalb besteht mein erster Vorschlag darin, dass ihr für euch selbst herausfindet, wer ihr wirklich seid. Fragt den Vater im Himmel im Namen Jesu Christi, was er über euch und eure Mission hier auf Erden denkt. Wenn ihr mit wirklichem Vorsatz darum bittet, flüstert euch der Heilige Geist im Laufe der Zeit die Wahrheit zu, die euer Leben verändert. Schreibt euch diese Eindrücke auf, denkt häufig darüber nach und haltet euch genau daran.

Ich verheiße euch: Sobald ihr auch nur einen flüchtigen Eindruck davon bekommt, wie der Vater im Himmel euch sieht und was ihr für ihn tun könnt – darauf zählt er nämlich –, wird sich euer Leben vollkommen ändern!

2. Erwartet, das Unmögliche vollbringen zu können, und bereitet euch darauf vor

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Gott hat von seinen Kindern, die zu seinem Bundesvolk gehören, schon immer Schwieriges erwartet. Da ihr Söhne und Töchter Gottes seid, die ihre Bündnisse halten und im letzten Abschnitt der Letzten Tage leben, erwartet der Herr von euch, Schwieriges zu bewerkstelligen. Verlasst euch darauf: Abraham war nicht der Letzte, der auf eine schwere Probe gestellt wurde (siehe LuB 101:4,5).

Ich weiß, wie zermürbend eine Aufgabe sein kann, der man scheinbar bei weitem nicht gewachsen ist. Ich gehörte dem Kollegium der Zwölf Apostel gerade einmal 19 Monate lang an, als Präsident Spencer W. Kimball (1895–1985) starb. Bei der ersten Sitzung der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf Apostel nach der Ordinierung von Präsident Ezra Taft Benson (1899–1994) erteilte dieser den Zwölf konkrete Aufträge. Seine Anweisung an mich lautete unter anderem: „Elder Nelson, Sie sollen die Länder Osteuropas für die Verkündigung des Evangeliums öffnen.“

Das war 1985. Während der Jahre politischer Spannungen, die man als den Kalten Krieg bezeichnet, teilte eine echte Mauer die Stadt Berlin, und ganz Osteuropa litt unter dem bedrückenden Joch des Kommunismus. Kirchen waren geschlossen und die Religionsausübung war strikt eingeschränkt.

In meinem Berufsleben hatte ich buchstäblich Herzen geöffnet, um durch Operationen am offenen Herzen Leben zu retten, aber ich hatte keinerlei Erfahrung damit und traute mir auch nicht zu, ein Land für die Verkündigung des Evangeliums zu öffnen. Dennoch hatte mir der Prophet einen Auftrag erteilt, und so machte ich mich an die scheinbar schier unmögliche Arbeit.

Von Anfang an lagen mir Hindernisse im Weg. In welches Land ich auch kam, ich wusste nicht, wohin. Selbst wenn ich einmal herausfinden konnte, welcher Vertreter der Behörden zuständig war, kam es nicht selten vor, dass ein geplantes Treffen in letzter Minute abgesagt oder verschoben wurde. Als sich ein Termin in einem Land einmal um zwei Tage verzögerte, wurde ich absichtlich mit mehreren Versuchungen auf die Probe gestellt – mir wurden etwa Fallen gestellt, mich auf Schwarzgeld oder Schwarzhandel einzulassen. Ein andermal wurde ich zu Beginn einer Besprechung aufgefordert, sofort zu gehen.

Doch der Herr kann sein Werk selbst verrichten (siehe 2 Nephi 27:20,21) und ich durfte ein Wunder nach dem anderen erleben, und zwar immer, nachdem ich eine Aufgabe von allen Seiten betrachtet, all meinen Mut unter Beweis gestellt und inständig gebetet hatte.

Einige dieser Länder erkannten die Kirche noch vor dem Fall der Berliner Mauer an. Andere folgten später. 1992 konnte ich Präsident Benson berichten, dass die Kirche mittlerweile in jedem Land in Osteuropa vertreten war.

Als wahre Kinder des Millenniums, auf die der Herr zählen kann, werdet auch ihr Geschichte schreiben! Man wird euch bitten, schwierige Aufträge anzunehmen, und ihr werdet ein Werkzeug in den Händen des Herrn sein. Und er wird euch dazu befähigen, das Unmögliche zu vollbringen.

Wie werdet ihr das Unmögliche vollbringen? Indem ihr nichts unversucht lasst, um euren Glauben an Jesus Christus zu festigen, indem ihr euer Verständnis der Lehre seiner wiederhergestellten Kirche vertieft und indem ihr unermüdlich nach der Wahrheit sucht. Als wahre Kinder des Millenniums, die in der reinen Lehre verankert sind, werdet ihr, wenn man euch um etwas Unmögliches bittet, in der Lage sein, voller Glauben und mit unerschütterlicher Beharrlichkeit vorwärtszugehen, und ihr werdet frohgemut alles in eurer Macht Stehende tun, um die Absichten des Herrn zu erfüllen (siehe LuB 123:17).

An manchen Tagen werdet ihr ganz und gar entmutigt sein. Betet also um den Mut, niemals aufzugeben! Ihr braucht diese Kraft, denn es wird immer schwieriger, ein Heiliger der Letzten Tage zu sein. Leider werden euch einige, die ihr für Freunde hieltet, hintergehen. Und manches wird euch einfach ungerecht vorkommen.

Ich verheiße euch jedoch: Wenn ihr Jesus Christus nachfolgt, spürt ihr anhaltenden Frieden und wahre Freude. Wenn ihre eure Bündnisse immer genauer haltet und für die Kirche und das Reich Gottes auf Erden einsteht, segnet der Herr euch mit Kraft und Weisheit, sodass ihr das Unmögliche vollbringen könnt.

3. Lernt, die Macht des Himmels in Anspruch zu nehmen

Jeder von uns hat Fragen. Wahrheit zu suchen, zu erkennen und zu verstehen ist ein wichtiger Bestandteil des Erdenlebens. Den Großteil meines Lebens war ich in der Forschung tätig. Auch ihr lernt am ehesten durch inspirierte Fragen.

Jetzt, in diesem Augenblick, bedrückt einige von euch die Frage, was ihr mit eurem Leben anfangen sollt. Andere fragen sich vielleicht, ob ihnen ihre Sünden vergeben wurden. Die meisten von euch fragen sich, wo und wer euer Partner für die Ewigkeit ist – und wer sich das nicht fragt, der sollte damit anfangen.

Bei manchem, was die Kirche unternimmt, fragen sich einige vielleicht, was wohl der Grund dafür sein mag. Vielleicht sind sich einige von euch nicht sicher, wie man Antwort aufs Gebet erhält.

Der Vater im Himmel und sein Sohn sind bereit, durch das Wirken des Heiligen Geistes auf eure Fragen zu antworten. Letzten Endes aber müsst ihr lernen, wie man sich um diese Antworten bemüht und sie erhält.

Womit fängt man an? Fangt damit an, mehr Zeit an heiligen Orten zu verbringen. Der Tempel ist ein heiliger Ort, ebenso das Gemeindehaus, wo ihr jeden Sonntag beim Abendmahl eure Bündnisse erneuert. Ich fordere euch auf, auch eure Wohnung, euer Zimmer, euer Zuhause zu einem heiligen Ort zu machen, wo ihr vor den finsteren Ablenkungen der Welt in Sicherheit seid.

Das Gebet ist ein Schlüssel. Findet durchs Gebet heraus, womit ihr aufhören und womit ihr anfangen müsst. Findet durchs Gebet heraus, was ihr in euer Umfeld aufnehmen und was ihr entfernen müsst, damit der Geist in reichem Maße bei euch sein kann.

Bittet den Herrn um die Gabe des Erkennens. Lebt dann entsprechend und arbeitet daran, dieser Gabe würdig zu sein, damit ihr genau wisst, was wahr ist und was nicht, wenn in der Welt Verwirrendes geschieht (siehe 2 Nephi 31:13).

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Dient liebevoll. Wenn ihr jemandem, der vom Weg abgekommen ist oder geistige Wunden erlitten hat, liebevoll dient, öffnet sich euer Herz für persönliche Offenbarung.

Verbringt mehr Zeit – viel mehr Zeit – an Orten, wo der Heilige Geist zugegen ist, also auch mehr Zeit mit Freunden, denen es wichtig ist, den Geist bei sich zu haben. Verbringt mehr Zeit im Gebet auf euren Knien, mehr Zeit mit den heiligen Schriften, mehr Zeit mit der Familienforschung, mehr Zeit im Tempel. Ich verheiße euch: Wenn ihr dem Herrn regelmäßig und großzügig von eurer Zeit schenkt, vervielfacht er das, was übrig bleibt.

Wir bestätigen 15 Männer in ihrem Amt, die als Propheten, Seher und Offenbarer ordiniert wurden. Wenn ein heikles Problem auftritt – und die Probleme scheinen immer heikler zu werden –, setzen sich diese 15 Männer damit auseinander und versuchen, alle Auswirkungen der verschiedenen Vorgehensweisen vorauszusehen. Dabei setzen sie alles daran, auf die Stimme des Herrn zu hören. Wenn ich wegen eines wichtigen Anliegens gefastet und gebetet, in den Schriften gelesen und nachgedacht und mich mit meinen Brüdern beraten habe, kommt es oft vor, dass ich nachts aufwache und weitere Eindrücke zu einer Frage erhalte, mit der wir uns gerade befassen. Meinen Amtsbrüdern geht es genauso.

Die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel beraten sich und besprechen untereinander jede Anweisung, die sie vom Herrn erhalten haben und die sie einzeln oder gemeinsam verstehen oder spüren sollen. Und dann beobachten wir, wie der Herr auf den Präsidenten der Kirche einwirkt und seinen Willen kundtut.

Dieser prophetischen Vorgehensweise folgten wir 2012 bei der Änderung des Mindestalters für Missionare und auch bei den jüngsten Ergänzungen des Handbuchs der Kirche infolge der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in einigen Ländern. Wir haben voller Mitgefühl für alle Menschen, insbesondere für die Kinder, damit gerungen, den Willen des Herrn in dieser Sache zu erkennen.

Wir haben unzählige Kombinationen in Betracht gezogen, welche Situationen sich ergeben könnten, und hatten dabei stets Gottes Erlösungsplan und seine Hoffnung auf ewiges Leben für ein jedes seiner Kinder vor Augen. Wir haben gefastet und gebetet und uns häufig im Tempel versammelt, um weitere Führung und Inspiration zu erhalten. Als dann der Herr seinen Propheten, Präsident Thomas S. Monson, dazu inspirierte, den Sinn und den Willen des Herrn zu verkünden, hat jeder von uns in diesem heiligen Augenblick eine geistige Bestätigung erhalten. Wir Apostel genossen den Vorzug, das zu bestätigen, was Präsident Monson offenbart worden war. Offenbarung vom Herrn an seine Knechte ist ein heiliger Vorgang, und das gilt auch für euch, wenn ihr persönliche Offenbarung empfangt.

Meine lieben Brüder und Schwestern, ihr habt im gleichen Umfang Zugang zum Sinn und zum Willen des Herrn, wenn es um euer Leben geht, wie wir Apostel, wenn es um die Kirche geht. So, wie der Herr von uns verlangt, dass wir suchen und nachdenken, fasten und beten, etwas gründlich durchstudieren und uns mit kritischen Fragen befassen, verlangt er dies auch von euch, wenn ihr Antworten auf eure eigenen Fragen sucht.

Ihr könnt lernen, die Stimme des Herrn in den Einflüsterungen des Heiligen Geistes zu vernehmen.1 So hilfreich Google, Twitter und Facebook auch scheinen mögen, dort findet man gewiss nicht die Antworten auf die wichtigsten Fragen!

Meine lieben jungen Freunde, ihr könnt die Absichten und den Willen des Herrn für euer Leben erfahren. Ihr müsst nicht raten, ob ihr dort seid, wo der Herr euch braucht, oder ob ihr das tut, was er durch euch zuwege bringen will. Ihr könnt es herausfinden! Der Heilige Geist wird „euch alles sagen, was ihr tun sollt“ (2 Nephi 32:3).

4. Folgt den Propheten

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1979 wurde ich als Präsident der Sonntagsschule zu einem Seminar für Regionalrepräsentanten eingeladen. Dabei hielt Präsident Kimball eine inspirierende Ansprache darüber, dass die Türen der Nationen geöffnet werden sollten, die der Kirche noch verschlossen waren, wie etwa China. Er forderte alle Anwesenden auf, Mandarin zu lernen, damit wir den Menschen in China unsere Fachkenntnisse anbieten konnten.

Mir erschien Präsident Kimballs Aufforderung wie ein prophetischer Auftrag. Also fragte ich noch am selben Abend meine inzwischen verstorbene Frau Dantzel, ob sie mit mir Mandarin lernen wolle. Sie war einverstanden, und wir fanden dann auch einen Lehrer. Natürlich haben wir die Sprache nicht allzu gut beherrscht, aber doch gut genug, dass es mir leichtfiel, zuzusagen, als man mich im nächsten Jahr nach einer Reihe völlig unerwarteter Ereignisse dazu einlud, als Gastdozent in China einen Vortrag über Operationen am offenen Herzen zu halten.

Machen wir nun einen Sprung ins Jahr 1985. Ein Jahr zuvor war ich ins Kollegium der Zwölf Apostel berufen worden. Eines Tages trat man mit der dringenden Bitte an mich heran, in China bei einer berühmten Opernsängerin, die in ganz China als Nationalheldin galt, eine Operation am offenen Herzen durchzuführen. Ich erklärte, dass meine kirchlichen Pflichten meine volle Zeit beanspruchten und mich davon abhielten. Doch die Ärzte in China baten mich inständig, die lebensrettende Operation umgehend durchzuführen.

Ich besprach die Angelegenheit mit meinem Kollegiumspräsidenten und mit der Ersten Präsidentschaft. Diese hatten das Gefühl, dass ich den Leuten in China doch den Gefallen erweisen und die Reise antreten und die Operation durchführen solle.

Also tat ich es. Glücklicherweise verlief der Eingriff erfolgreich. Es war übrigens die letzte Operation am offenen Herzen, die ich jemals durchführte – am 4. März 1985 im chinesischen Jinan.

Springen wir nun weiter, in die Gegenwart: Oktober 2015. Wendy und ich wurden erneut zur medizinischen Fakultät der Universität Schandong in Jinan eingeladen. Wir waren überrascht, dass ich als „ein alter Freund“ Chinas herzlichst empfangen wurde und wieder mit Chirurgen zusammenkam, vor denen ich 35 Jahre zuvor gesprochen hatte. Ein Höhepunkt unseres Besuchs war, dass wir den Sohn und den Enkel der berühmten Opernsängerin kennenlernten. All diese wunderbaren Erlebnisse waren nur aus einem einzigen Grund möglich: weil ich dem Rat eines Propheten gefolgt war, Mandarin zu lernen!

Propheten sehen voraus. Sie erkennen die grauenvollen Gefahren, die uns der Widersacher in den Weg gelegt hat oder legen wird. Propheten sehen auch vorher, welch großartige Gelegenheiten und Vorzüge diejenigen erwarten, die zuhören, um dem zu folgen, was sie hören. Ich weiß, dass das stimmt! Ich habe es immer wieder selbst erlebt.

Der Herr hat uns verheißen, dass er niemals zulassen wird, dass uns ein Prophet in die Irre führt. Präsident Harold B. Lee (1899–1973) hat gesagt: „Möglicherweise gefällt Ihnen manches nicht, was vom Hauptsitz der Kirche kommt. Es mag Ihren politischen Ansichten widersprechen. Es mag Ihren gesellschaftlichen Ansichten widersprechen. Vielleicht werden Aspekte Ihres gesellschaftlichen Lebens beeinträchtigt. Aber wenn Sie auf dies alles hören, als käme es aus dem Mund des Herrn selbst, mit Geduld und Glauben, dann gilt Ihnen die Verheißung des Herrn: Dann ,werden die Pforten der Hölle euch nicht überwältigen; ja, und der Herr, Gott, wird die Mächte der Finsternis vor euch zerstreuen und die Himmel zu eurem Guten und um der Herrlichkeit seines Namens willen erbeben lassen‘ (LuB 21:6).“2

Ihr mögt vielleicht nicht jede Aussage eines lebenden Propheten verstehen. Doch wenn ihr wisst, dass ein Prophet ein Prophet ist, könnt ihr euch in Demut und voll Glauben an den Herrn wenden und für euch ein Zeugnis von allem erbitten, was sein Prophet verkündet hat.

Etwa 40 v. Chr. schlossen sich viele Nephiten der Kirche an und die Kirche wuchs. Doch auch geheime Verbindungen wurden stärker, und viele ihrer listigen Anführer tauchten im Volk unter, wo sie nur schwer aufzuspüren waren. Als das Volk immer stolzer wurde, verspottete es „das, was heilig war“ und leugnete „den Geist der Prophezeiung und der Offenbarung“ (Helaman 4:12).

Auch heute sind wir diesen Bedrohungen ausgesetzt. Die düstere Realität ist, dass sich in unserer Gesellschaft „Knechte des Satans“ (LuB 10:5) befinden. Passt also gut auf, wessen Rat ihr folgt (siehe Helaman 12:23).

Meine lieben Brüder und Schwestern, ihr seid dazu geboren, ein wahres Kind des Millenniums zu sein! Ihr seid eine auserwählte Generation (siehe 1 Petrus 2:9), von Gott zu einem bemerkenswerten Werk vorherordiniert, nämlich die Menschen dieser Welt auf das Zweite Kommen des Herrn vorzubereiten.

Anmerkungen

  1. Im Februar 1847, fast drei Jahre, nachdem der Prophet Joseph Smith den Märtyrertod erlitten hatte, erschien er Präsident Brigham Young und überbrachte ihm diese Botschaft: „Sag den Menschen, sie sollen demütig und treu sein und darauf achten, dass sie den Geist des Herrn behalten, dann führt er sie recht. Sie sollen sich hüten, sich von der sanften, leisen Stimme abzuwenden, denn sie lehrt sie, was sie tun und wohin sie gehen sollen.“ (Zitiert in Lehren der Präsidenten der Kirche: Ezra Taft Benson, Seite 178.)

  2. Herbst-Generalkonferenz 1970