Generalkonferenz
Für ein rechtschaffenes Gericht ist gesorgt
Frühjahrs-Generalkonferenz 2020


Für ein rechtschaffenes Gericht ist gesorgt

Der Erretter beseitigt das Gestrüpp von Unwissenheit und die schmerzhaften Dornen, durch die andere uns verletzen, und sorgt so für ein rechtschaffenes Gericht

Im Buch Mormon ist die Lehre Christi dargelegt

Letzten Oktober forderte Präsident Russell M. Nelson uns auf, zu überlegen, was an unserem Leben wohl anders wäre, wenn uns unsere „Erkenntnisse aus dem Buch Mormon auf einmal genommen würden“1. Ich habe über seine Frage nachgedacht, so wie viele von Ihnen sicherlich auch. Mir kam immer wieder ein Gedanke: Ohne das Buch Mormon und seine Klarheit, was die Lehre Christi und sein Sühnopfer angeht, wo würde ich da Frieden finden?

Die Lehre Christi – die aus den errettenden Grundsätzen und Verordnungen Glaube an Christus, Umkehr, Taufe, Gabe des Heiligen Geistes und Ausharren bis ans Ende besteht – wird in allen heiligen Schriften der Wiederherstellung häufig verkündet, doch besonders nachdrücklich im Buch Mormon.2 Die Lehre beginnt mit dem Glauben an Christus, und jedes Element hängt von unserem Vertrauen auf sein Sühnopfer ab.

Präsident Nelson hat gesagt: „Das Buch Mormon bietet das umfassendste und verlässlichste Verständnis vom Sühnopfer Jesu Christi, das es auf Erden gibt.“3 Je besser wir das überirdische Geschenk des Erretters verstehen, desto deutlicher erkennen wir im Verstand und im Herzen,4 dass diese Zusicherung von Präsident Nelson Wirklichkeit wird: „Die Wahrheiten des Buches Mormon haben die Macht, unsere Seele zu heilen, ihr Mut zuzusprechen, sie wiederherzustellen, ihr Beistand zu leisten, sie zu stärken, zu trösten und aufzumuntern.“5

Das Sühnopfer des Erretters erfüllt alle Forderungen der Gerechtigkeit

Ein wichtiger, Frieden spendender Beitrag des Buches Mormon zum Verständnis des Sühnopfers des Erretters ist die Lehre, dass das barmherzige Opfer Christi alle Forderungen der Gerechtigkeit erfüllt. Alma hat erklärt: „Gott selbst [sühnt] für die Sünden der Welt, um den Plan der Barmherzigkeit zuwege zu bringen, um die Forderungen der Gerechtigkeit zu befriedigen, auf dass Gott ein vollkommener, gerechter Gott sei, und auch ein barmherziger Gott.“6 Des Vaters Plan der Barmherzigkeit,7 der in den heiligen Schriften auch als Plan des Glücklichseins8 oder Plan der Errettung9 bezeichnet wird, konnte nur verwirklicht werden, wenn alle Forderungen der Gerechtigkeit erfüllt waren.

Aber was genau sind die „Forderungen der Gerechtigkeit“? Denken Sie an das, was Alma erlebt hat. Wir erinnern uns, dass Alma als junger Mann umherging und versuchte, „die Kirche … zu vernichten“10. Ja, Alma erzählte seinem Sohn Helaman, dass er „mit den Qualen der Hölle gepeinigt wurde“, weil er gewissermaßen „viele … Kinder [Gottes] gemordet“ hatte, indem er sie „hinweg ins Verderben“ geführt hatte.11

Alma erklärte Helaman, dass er endlich Frieden fand, als er daran dachte, wie sein Vater prophezeit hatte, „dass … Jesus Christus … kommen werde, um für die Sünden der Welt zu sühnen“12. Reumütig flehte Alma um die Barmherzigkeit Christi13 und verspürte Freude und Erleichterung, als er erkannte, dass Christus für seine Sünden gesühnt und alles gezahlt hatte, was die Gerechtigkeit forderte. Und was hätte die Gerechtigkeit nun von Alma gefordert? Alma selbst verkündete später: „Nichts Unreines kann das Reich Gottes ererben.“14 Alma wird also wohl auch deshalb so erleichtert gewesen sein, weil ihn die Gerechtigkeit, ohne das Zutun von Barmherzigkeit, daran gehindert hätte, zum Vater im Himmel zurückzukehren und bei ihm zu leben.15

Der Erretter heilt die Wunden, die wir nicht heilen können

Aber ging es Alma bei seiner Freude ausschließlich um sich selbst – dass er der Strafe entgehen und er zum Vater zurückkehren konnte? Wir wissen, dass Alma auch um derentwillen gepeinigt wurde, die er von der Wahrheit abgebracht hatte.16 Doch Alma konnte nicht alle selbst heilen und zurückholen, die er weggeführt hatte. Er konnte nicht selbst dafür sorgen, dass sie eine faire Chance bekamen, die Lehre Christi kennenzulernen, ihre Freude bringenden Grundsätze zu leben und dadurch glücklich zu werden. Er konnte niemanden zurückbringen, der, noch immer von Almas falschen Lehren verblendet, vielleicht inzwischen gestorben war.

Präsident Boyd K. Packer hat dazu einmal gesagt: „Der Gedanke, der Alma rettete, … ist folgender: Zurückzugeben, was Sie nicht zurückgeben können, die Wunde zu heilen, die Sie nicht heilen können, reparieren, was Sie zerbrochen haben und nicht mehr reparieren können – genau das ist der Zweck des Sühnopfers Christi.“17 Die frohe Wahrheit, an die Alma dachte, war nicht nur, dass er selbst rein werden konnte, sondern auch diejenigen, denen er Schaden zugefügt hatte, vollständig geheilt werden konnten.

Das Opfer des Erretters sorgt für ein rechtschaffenes Gericht

Jahre bevor Alma durch diese beruhigende Lehre gerettet wurde, hatte König Benjamin darüber gesprochen, wie umfassend die Heilung ist, die durch das Sühnopfer des Erretters möglich ist. König Benjamin erklärte, dass ihm „frohe Nachricht großer Freude“ „durch einen Engel von Gott“ verkündet wurde.18 Diese frohe Nachricht bestand unter anderem in der Wahrheit, dass Christus für unsere Sünden und Fehler leiden und sterben werde, um dafür zu sorgen, dass „ein rechtschaffenes Gericht über die Menschenkinder komme“19.

Was genau erfordert ein „rechtschaffenes Gericht“? Im nächsten Vers erklärt König Benjamin, dass der Erretter, um ein rechtschaffenes Gericht zuwege zu bringen, mit seinem Blut „für die Sünden derjenigen [sühnt], die durch die Übertretung Adams gefallen sind“, und für diejenigen, „die gestorben sind, ohne den Willen Gottes in Bezug auf sich zu kennen, oder die unwissentlich gesündigt haben“.20 Ein rechtschaffenes Gericht erfordert ihm zufolge auch, dass das Blut Christi für die Sünden kleiner Kinder sühnt.21

In diesen Schriftstellen kommt eine herrliche Lehre zum Ausdruck: Das Sühnopfer des Erretters heilt bedingungslos all jene, die unwissentlich sündigen und denen, wie Jakob es ausdrückte, „kein Gesetz gegeben ist“22. Verantwortlichkeit für Sünde hängt von dem Licht ab, das uns gegeben wurde, und von unserer Fähigkeit, unsere Entscheidungsfreiheit auszuüben.23 Diese heilende und tröstende Wahrheit kennen wir nur dank des Buches Mormon und anderer heiligen Schriften der Wiederherstellung.24

Natürlich müssen wir uns verantworten, wenn uns ein Gesetz gegeben ist und wir den Willen Gottes kennen. So hob auch König Benjamin hervor: „Weh dem, der weiß, dass er sich gegen Gott auflehnt! Denn Errettung wird so jemandem nicht zuteil, außer durch Umkehr und Glauben an den Herrn Jesus Christus.“25

Auch das ist die frohe Botschaft der Lehre Christi. Der Erretter kann nicht nur diejenigen heilen und wiederherstellen, die in Unwissenheit sündigen, sondern bringt auch denen, die gegen das Licht sündigen, Heilung unter der Bedingung der Umkehr und des Glaubens an ihn.26

Alma muss an diese beiden Wahrheiten gedacht haben. Wäre Almas Freude wohl, wie er es beschrieb, „außerordentlich“27 gewesen, wenn er gedacht hätte, Christus habe ihn zwar errettet, würde aber diejenigen, die Alma von der Wahrheit weggeführt hatte, für immer mit ihren Wunden zurücklassen? Gewiss nicht! Alma konnte nur dann vollkommenen Frieden finden, wenn diejenigen, denen er Schaden zugefügt hatte, ebenfalls die Chance bekamen, geheilt zu werden.

Aber wie genau konnten sie – oder diejenigen, denen wir vielleicht schaden – geheilt werden? Auch wenn wir die heilige Wirkweise, wie das Sühnopfer des Erretters heilt und wiederherstellt, nicht voll und ganz verstehen, wissen wir doch, dass der Erretter das Gestrüpp von Unwissenheit und die schmerzhaften Dornen, durch die andere uns verletzen, beseitigt und damit für ein rechtschaffenes Gericht sorgt.28 Damit stellt er sicher, dass alle Kinder Gottes die Gelegenheit erhalten, sich mit ungetrübtem Blick dafür zu entscheiden, ihm zu folgen und den großen Plan des Glücklichseins anzunehmen.29

Der Erretter wird alles, was wir zerbrochen haben, in Ordnung bringen

Es waren wohl diese Wahrheiten, die Alma Frieden brachten. Und diese Wahrheiten sollten auch uns tiefen Frieden bringen. Als natürliche Menschen geraten wir aneinander, zuweilen heftig, und richten Schaden an. Wie alle Eltern bezeugen können, ist der Schmerz, der mit unserem Fehlverhalten einhergeht, nicht einfach die Angst vor unserer eigenen Strafe, sondern die Angst, dass wir die Freude unserer Kinder einschränken oder sie in irgendeiner Weise daran hindern, die Wahrheit zu erkennen und zu verstehen. Was unsere Fehler als Eltern anbelangt, besteht die herrliche Verheißung des Sühnopfers des Erretters darin, dass er unsere Kinder als schuldlos erachtet und ihnen Heilung verheißt.30 Und selbst, wenn sie gegen das Licht gesündigt haben – wie wir alle –, ist sein Arm der Barmherzigkeit ausgestreckt,31 und er wird sie erlösen, wenn sie nur zu ihm aufblicken und leben.32

Der Erretter hat zwar die Macht, das in Ordnung zu bringen, was wir nicht reparieren können, doch er gebietet uns, alles zu tun, was wir tun können, um als Teil unserer Umkehr Wiedergutmachung zu leisten.33 Unsere Sünden und Fehler stehen nicht nur unserer Beziehung zu Gott, sondern auch unserer Beziehung zu anderen im Wege. Manchmal kann das Bemühen um Heilung und Wiedergutmachung schlicht nur eine Entschuldigung sein, aber manchmal erfordert die Wiedergutmachung jahrelanges, demütiges Bemühen.34 Dennoch sind wir bei vielen unserer Sünden und Fehler einfach nicht imstande, diejenigen, die wir verletzt haben, vollständig zu heilen. Die herrliche, Frieden schenkende Verheißung des Buches Mormon und des wiederhergestellten Evangeliums ist die, dass der Erretter alles, was wir zerbrochen haben, in Ordnung bringen wird.35 Er wird auch uns heilen, wenn wir uns ihm im Glauben zuwenden und von dem Schaden, den wir angerichtet haben, umkehren.36 Diese beiden Gaben bietet er uns an, weil er uns alle auf vollkommene Weise liebt37 und weil er für ein rechtschaffenes Gericht sorgt, das sowohl der Gerechtigkeit als auch der Barmherzigkeit Genüge tut. Dass dem so ist, bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.