2010–2019
Blickt auf das Buch, blickt auf den Herrn
Oktober 2016


Blickt auf das Buch, blickt auf den Herrn

Könnt ihr das Buch Mormon als euren Schlussstein, als das Zentrum eurer geistigen Kraft sehen?

Mary Elizabeth Rollins

In Gedanken stelle ich mir euch, die heranwachsende Generation, vor, wie ihr diese Konferenzversammlung irgendwo auf der Welt anschaut oder anhört. Ich möchte euch eine wahre Begebenheit erzählen – eine Geschichte, die uns als Beispiel dient und etwas Wichtiges lehrt. Sie kann euch zeigen, wie ihr dem Herrn näherkommt und mehr Kraft erlangt, Versuchungen zu widerstehen.

Die Geschichte handelt von einem kleinen Mädchen, das in New York lebte. Schon bevor es drei Jahre alt war, verlor es seinen Vater, als dessen Boot auf einem großen See unterging. Sie, ihre Mutter, ihr älterer Bruder und ihre jüngere Schwester zogen in eine neue Stadt in einem anderen Bundesstaat, um bei ihrer Tante und ihrem Onkel zu wohnen. Irgendwann nachdem die Familie angekommen war, trafen Missionare und Mitglieder einer neu gegründeten Religionsgemeinschaft in der Stadt ein und verkündeten die herrliche Botschaft von der Wiederherstellung des Evangeliums. Sie erzählten eine erstaunliche Geschichte von einem Engel, der einem jungen Mann namens Joseph Smith einen alten Bericht überbracht hatte, den dieser dann durch die Macht Gottes übersetzt hatte. Zwei der Besucher, Oliver Cowdery und John Whitmer, hatten die gravierten Metallseiten des alten Berichts sogar mit eigenen Augen gesehen, und Whitmer bezeugte, dass er die goldenen Platten in seinen Händen gehalten hatte. Dieser Bericht war erst kurze Zeit davor veröffentlicht worden, und Bruder Whitmer hatte das Buch mitgebracht. Das Buch hieß natürlich „Das Buch Mormon“.

Als die zwölfjährige Mary die Missionare über das Buch sprechen hörte, verspürte sie tief in sich etwas Besonderes. Und obwohl das Buch Mormon dick war und viele Seiten hatte, wollte sie es unbedingt lesen. Als Bruder Whitmer sich verabschiedete, gab er Bruder Isaac Morley eines der kostbaren Exemplare des Buches. Bruder Morley war ein Freund von Marys Onkel und ein örtlicher Führungsbeamter in der neuen Kirche.

Mary schrieb später: „Ich ging in [Bruder Morleys] Haus und bat ihn, mir das Buch zu zeigen; [er] gab es mir. Als ich es sah, verspürte ich so stark den Wunsch, es zu lesen, dass ich mich nicht zurückhalten konnte und ihn fragte, ob ich es mit nach Hause nehmen und lesen dürfe. … Er sagte, … er hätte kaum Zeit gehabt, selbst ein Kapitel darin zu lesen, und dass es bisher nur wenige der Brüder gesehen hätten. Aber ich flehte ihn so inständig an, dass er schließlich meinte: ‚Mein Kind, wenn du dieses Buch morgen früh vor dem Frühstück zurückbringst, kannst du es mitnehmen.‘“

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Mary Elizabeth Rollins beim Lesen

Mary rannte nach Hause und war von dem Buch so gefesselt, dass sie fast die ganze Nacht aufblieb und las. Als sie das Buch am nächsten Morgen zurückgab, sagte Bruder Morley: „Ich schätze, du hast nicht viel darin gelesen“ und „Ich bezweifle, dass du mir auch nur ein Wort davon sagen kannst“. Mary stellte sich kerzengerade hin und sagte den ersten Vers im Buch Mormon auswendig auf. Dann erzählte sie die Geschichte vom Propheten Nephi. Später schrieb Mary: „Er schaute mich erstaunt an und sagte: ‚Mein Kind, nimm das Buch mit nach Hause und lies es zu Ende, ich kann warten.‘“

Kurze Zeit später hatte Mary das Buch zu Ende gelesen. Sie war die Erste in ihrer Stadt, die das ganze Buch gelesen hatte. Sie wusste, dass es wahr war und vom Vater im Himmel kam. Als sie auf das Buch blickte, blickte sie auf den Herrn.

Einen Monat darauf kam ein besonderer Gast zu ihr nach Hause. Mary schrieb über ihre unvergessliche Begegnung an jenem Tag: „Als [Joseph Smith] mich sah, blickte er mich sehr ernst an. … Nach einigen Augenblicken … gab er mir einen großartigen Segen, … schenkte mir das Buch und sagte, er werde Bruder Morley ein anderes geben. … Wir alle spürten, dass er ein Mann Gottes war, denn er sprach mit Macht und wie jemand, der Vollmacht hat.“

Dieses junge Mädchen, Mary Elizabeth Rollins, erlebte im Laufe des Lebens noch viele weitere Wunder und bewahrte sich stets sein Zeugnis vom Buch Mormon.1 Diese Geschichte hat für mich eine besondere Bedeutung, weil Mary die Schwester meines Ur-Ur-Urgroßvaters ist. Durch Marys Beispiel und die Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe, weiß ich, dass man nie zu jung dafür ist, sich um ein persönliches Zeugnis vom Buch Mormon zu bemühen und es zu erlangen.

Der Schlussstein eures Zeugnisses

Aus Marys Geschichte könnt ihr etwas Wichtiges lernen. Jeder von euch Jungen Männern, Jungen Damen und Kindern kann das Gleiche verspüren wie sie. Wenn ihr das Buch Mormon lest und mit dem Wunsch, zu wissen, dass es wahr ist, betet, könnt ihr die gleiche Eingebung im Herzen empfangen wie Mary. Vielleicht stellt ihr auch fest, dass ihr die gleiche Bestätigung verspürt, wenn ihr aufsteht und Zeugnis für das Buch Mormon ablegt. Der Heilige Geist spricht zu eurem Herzen. Ihr könnt diese Bestätigung auch verspüren, wenn ihr hört, wie andere Zeugnis für das Buch Mormon geben. Jedes dieser geistigen Zeugnisse kann dazu beitragen, dass das Buch Mormon der Schlussstein eures Zeugnisses wird.

Darauf möchte ich etwas näher eingehen. Der Prophet Joseph Smith, der das Buch Mormon „durch die Gabe und Macht Gottes“ übersetzt hat, erklärte, das Buch Mormon sei „das richtigste aller Bücher auf Erden und der Schlussstein unserer Religion“2.

Seit das Buch Mormon 1830 zum ersten Mal gedruckt wurde, sind über 174 Millionen Exemplare in 110 verschiedenen Sprachen veröffentlicht worden, was zeigt, dass das Buch Mormon noch immer der Schlussstein unserer Religion ist. Aber was bedeutet das für jeden Einzelnen von euch?

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Der Schlussstein ist der Stein in der Mitte

In der Architektur ist ein Schlussstein ein zentraler Bestandteil eines Torbogens. Er ist der keilförmige Stein in der Mitte am höchsten Punkt des Gewölbebogens. Er ist der wichtigste Stein, weil er dafür sorgt, dass die Seiten des Bogens stehenbleiben und der Bogen nicht einstürzt. Auch ist er das Bauelement, das sicherstellt, dass das Tor oder die Öffnung passierbar ist.

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Schlussstein in einem Gewölbebogen

Auf das Evangelium bezogen, ist es eine Gabe und eine Segnung vom Herrn, dass der Schlussstein unserer Religion etwas so Fühlbares und Greifbares ist wie das Buch Mormon, das man in der Hand halten und lesen kann. Könnt ihr das Buch Mormon als euren Schlussstein, als das Zentrum eurer geistigen Kraft sehen?

Präsident Ezra Taft Benson ist näher auf die Aussage von Joseph Smith eingegangen. Er hat erklärt: „In dreierlei Hinsicht ist das Buch Mormon der Schlussstein unserer Religion. Es ist der Schlussstein im Zeugnis von Christus, der Schlussstein unserer Lehre und der Schlussstein unseres Zeugnisses.“

Präsident Benson fügte hinzu: „Das Buch Mormon lehrt uns [Wahrheit und gibt] Zeugnis von Christus. … Das ist aber nicht alles. In diesem Buch steckt eine Macht, die sich auf Ihr Leben überträgt, sobald Sie beginnen, sich ernsthaft damit zu befassen. Sie haben mehr Kraft, Versuchungen zu widerstehen. … Sie finden die Kraft, auf dem engen und schmalen Pfad zu bleiben.“3

Mein persönliches Zeugnis

Bei mir war es so, dass das Buch Mormon im Laufe der Jahre und durch mehrere Erlebnisse der Schlussstein meines Zeugnisses wurde. Ein eindrucksvolles Erlebnis, das mein Zeugnis gestärkt hat, trug sich zu, als ich als junger Missionar in meinem ersten Gebiet war: Kumamoto in Japan. Mein Mitarbeiter und ich gingen von Tür zu Tür. Wir begegneten einer Großmutter, die uns freundlich in ihren Hauseingang bat, der auf Japanisch genkan heißt. Es war ein heißer Tag und sie bot uns ein kaltes Getränk an. Ich war noch nicht lange in Japan. Auch hatte ich erst kurz zuvor das Buch Mormon zu Ende gelesen und darum gebetet, mit Bestimmtheit zu wissen, dass es wahr ist.

Da ich noch neu in Japan war, war mein Japanisch nicht sonderlich gut. Tatsächlich glaube ich, dass unsere Zuhörerin nicht viel von dem verstand, was ich sagte. Ich fing an, ihr etwas über das Buch Mormon zu erzählen und zu beschreiben, wie Joseph Smith von einem Engel einen alten Bericht erhalten hatte, der auf Platten eingraviert war, und wie er ihn durch die Macht Gottes übersetzt hatte.

Als ich Zeugnis dafür ablegte, dass das Buch Mormon das Wort Gottes und ein weiterer Zeuge für Jesus Christus ist, empfing ich eine klare, starke Eingebung, begleitet von einem tiefen Empfinden von Trost und Ruhe. In den Schriften wird es so beschrieben, dass „dein Herz in dir brennt“4. Dieses Gefühl bestätigte mir auf machtvolle Weise, dass das Buch Mormon wahrhaftig das Wort Gottes ist. Als ich damals mit jener japanischen Großmutter sprach, übermannten mich meine Gefühle so sehr, dass mir die Tränen kamen. Ich habe das besondere Gefühl, das ich an jenem Tag hatte, nie vergessen.

Euer persönliches Zeugnis

Auch jeder von euch kann ein persönliches Zeugnis von diesem Buch erlangen! Ist euch bewusst, dass das Buch Mormon für euch – und für eure Zeit – geschrieben wurde? Dieses Buch ist eine der Segnungen, die wir in der sogenannten Evangeliumszeit der Fülle erhalten haben. Das Buch Mormon wurde zwar von inspirierten Verfassern in alter Zeit geschrieben – von denen viele Propheten waren –, sie und ihre Zeitgenossen hatten jedoch nicht den Vorteil, das ganze Buch zu besitzen. Ihr könnt heute ganz einfach auf den heiligen Bericht zugreifen, den Propheten, Priester und Könige geschätzt, mit Begeisterung angenommen und bewahrt haben! Ihr habt den Vorteil, das ganze Buch Mormon in den Händen zu halten. Interessanterweise hat einer der Propheten im Buch Mormon, nämlich Moroni, unsere Zeit – eure Zeit – vorhergesehen. In einer Vision vor vielen hundert Jahren hat er sogar euch gesehen! Moroni schrieb:

„Siehe, der Herr hat mir Großes und Wunderbares in Bezug auf [jenen Tag gezeigt], da dieses hier“ – nämlich das Buch Mormon – „unter euch hervorkommen wird.

Siehe, ich spreche zu euch, als seiet ihr gegenwärtig, und doch seid ihr es nicht. Aber siehe, Jesus Christus hat euch mir gezeigt, und ich weiß, was ihr tut.“5

Damit das Buch Mormon der Schlussstein eures Zeugnisses wird, fordere ich euch zu etwas auf. Ich habe vor kurzem erfahren, dass viele junge Leute durchschnittlich sieben Stunden am Tag damit verbringen, auf den Bildschirm eines Fernsehers, eines Computers oder eines Smartphones zu schauen.6 Würdet ihr angesichts dessen eine kleine Änderung vornehmen? Werdet ihr einen Teil dieser täglichen Zeit vor dem Bildschirm – besonders der Zeit, die ihr sozialen Medien, dem Internet, Spielen oder dem Fernsehen widmet – damit zubringen, im Buch Mormon zu lesen? Wenn die erwähnten Studien stimmen, könntet ihr leicht Zeit für das tägliche Studium des Buches Mormon finden, auch wenn es nur zehn Minuten am Tag sind. Und ihr könnt es auf eine Weise erforschen – ob auf eurem Gerät oder in Buchform –, dass ihr Freude daran findet und es auch versteht. Präsident Russell M. Nelson hat vor kurzem geraten: „Wir dürfen nie den Eindruck erwecken, das Lesen des Buches Mormon sei eine lästige Pflicht, etwa wie das Herunterwürgen scheußlicher Medizin, die man schnell schluckt, um es ein für alle Mal hinter sich zu bringen.“7

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Ein Junge liest im Buch Mormon
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Ein Mädchen liest im Buch Mormon

Einige von euch jüngeren Kindern könntet es mit euren Eltern, Großeltern oder einem anderen lieben Menschen lesen. Wenn ein Kapitel, ein Vers oder ein Teil so schwierig wird, dass ihr eigentlich aufgeben wollt, dann geht zum nächsten oder übernächsten über. Ich stelle mir vor, wie ihr dem Beispiel von Mary folgt. Ich stelle mir vor, wie ihr begeistert Zeit und einen ruhigen Ort findet, um das Buch Mormon zu lesen. Ich sehe, wie ihr Antworten entdeckt, spürt, dass ihr geführt werdet, und euer eigenes Zeugnis vom Buch Mormon und von Jesus Christus erlangt. Wenn ihr auf das Buch blickt, blickt ihr auf den Herrn.

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Auf das Buch blicken

Ihr werdet euch in die Verse dieses kostbaren Buches vertiefen und auf fast jeder Seite eurem geliebten Erretter, dem Herrn Jesus Christus, begegnen. Schätzungsweise kommt durchschnittlich alle 1,7 Verse irgendeine Form seines Namens vor.8 Sogar Christus selbst hat in diesen, den Letzten Tagen bezeugt, dass das Buch Mormon wahr ist. Er hat erklärt: „So wahr euer Herr und euer Gott lebt, ist es wahr.“9

Ich bin dankbar für die Aufforderung und die Verheißung, die der Herr durch den Propheten Moroni einem jeden von euch – und allen, die das Buch Mormon lesen – gemacht hat. Zum Schluss lese ich nun diese Aufforderung und Verheißung vor und füge dem mein Zeugnis hinzu: „Und ich möchte euch ermahnen: Wenn ihr dieses hier [das Buch Mormon] empfangt, so fragt Gott, den Ewigen Vater, im Namen [Jesu] Christi, ob es wahr ist; und wenn ihr mit aufrichtigem Herzen, mit wirklichem Vorsatz fragt und Glauben an Christus habt, wird er euch durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist.“10

Ich gebe Zeugnis für die Wiederherstellung des Evangeliums in diesen, den Letzten Tagen, und dafür, dass das Buch Mormon ein greifbarer Beweis dieser Wiederherstellung ist. So wie die Worte in diesem Buch vor fast zwei Jahrhunderten ein zwölfjähriges Mädchen dazu inspiriert haben, sich der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi anzuschließen, werden die Wahrheiten, die ihr darin findet, auch euch auf ähnliche Weise erbauen und inspirieren. Sie werden euren Glauben stärken, eure Seele mit Licht erfüllen und euch auf eine Zukunft vorbereiten, die ihr kaum erfassen könnt.

Auf den Seiten des Buches werdet ihr die unendliche Liebe und die unbegreifliche Gnade Gottes entdecken. Wenn ihr euch bemüht, den Lehren zu folgen, die ihr darin findet, wird eure Freude vermehrt, euer Verständnis vertieft und ihr werdet die Lösungen finden, die ihr für die vielen Herausforderungen des Erdenlebens sucht. Wenn ihr auf das Buch blickt, blickt ihr auf den Herrn. Das Buch Mormon ist das offenbarte Wort Gottes. Dies bezeuge ich von ganzem Herzen und mit ganzer Seele. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Siehe „Mary Elizabeth Rollins Lightner“, Utah Genealogical and Historical Magazine, Juli 1926, Seite 193ff.

  2. Einleitung zum Buch Mormon

  3. Ezra Taft Benson, „Das Buch Mormon: Der Schlussstein unserer Religion“, Liahona, Oktober 2011, Seite 54, 56f.

  4. Lehre und Bündnisse 9:8

  5. Mormon 8:34,35

  6. Siehe American Academy of Pediatrics, „Media and Children“, aap.org

  7. Russell M. Nelson, „Strengthen the Shepherds“, Ansprache bei einer Führerschaftsversammlung im Rahmen der Generalkonferenz, 28. September 2016

  8. Siehe Susan Easton Black, Finding Christ through the Book of Mormon, 1987, Seite 16ff.

  9. Lehre und Bündnisse 17:6

  10. Moroni 10:4; siehe auch Vers 3 und 5