2010–2019
Seien Sie ein Vorbild und ein Licht
Oktober 2015


Seien Sie ein Vorbild und ein Licht

Wenn wir dem Beispiel des Heilands nacheifern, können wir anderen ein Licht sein.

Brüder und Schwestern, ich freue mich, wieder bei Ihnen zu sein. Wie Sie wissen, sind seit vergangenem April drei unserer lieben Apostel von uns gegangen – Präsident Boyd K. Packer, Elder L. Tom Perry und Elder Richard G. Scott. Dies stimmt uns traurig. Sie sind in ihre himmlische Heimat zurückgekehrt. Wir vermissen sie. Wir sind dankbar für ihr Vorbild an christlicher Liebe und für die inspirierten Worte, die sie uns hinterlassen haben.

Wir begrüßen ganz herzlich unsere neuesten Apostel, Elder Ronald A. Rasband, Elder Gary E. Stevenson und Elder Dale G. Renlund. Diese Männer haben sich dem Werk des Herrn voll und ganz verschrieben. Sie sind bestens dafür geeignet, das wichtige Amt zu bekleiden, in das sie berufen worden sind.

Als ich vor kurzem in den heiligen Schriften gelesen und über das Gelesene nachgedacht habe, haben sich mir zwei Schriftstellen ganz besonders eingeprägt. Wir kennen beide sehr gut. Die erste stammt aus der Bergpredigt: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“1 Die zweite Schriftstelle kam mir in den Sinn, als ich über die Bedeutung der ersten nachdachte. Sie stammt aus dem Brief des Apostels Paulus an Timotheus: „Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit.“2

In der zweiten Schriftstelle wird sehr gut erklärt, wie wir die Worte aus der ersten umsetzen können. Wir sind den Gläubigen ein Vorbild, wenn wir das Evangelium Jesu Christi leben und sich dies in unseren Worten, unserem Lebenswandel, in Liebe, Glauben und Lauterkeit zeigt. Wenn wir uns so verhalten, können andere unser Licht leuchten sehen.

Jeder, der auf die Erde gekommen ist, hat das Licht Christi erhalten. Wenn wir dem Beispiel des Heilands nacheifern und so leben, wie er gelebt und gelehrt hat, dann entflammt dieses Licht in uns und kann anderen den Weg weisen.

Der Apostel Paulus nennt fünf Eigenschaften eines Gläubigen, die es uns möglich machen, unser Licht leuchten zu lassen. Schauen wir uns doch jede davon einmal an.

Die erste Eigenschaft lautet, dass man ein Vorbild in seinen Worten ist. Unsere Worte können erbauen und inspirieren oder verletzen und niedermachen. In der heutigen Welt gibt es vulgäre Ausdrücke in Hülle und Fülle. Sie umgeben uns nahezu überall. Es lässt sich kaum vermeiden, dass man hört, wie der Name der Gottheit beiläufig und gedankenlos gebraucht wird. Ordinäre Ausdrücke sind anscheinend ein fester Bestandteil von Fernsehen, Filmen, Büchern und Musik geworden. Man überhäuft einander mit verbalen Entgleisungen und Hasstiraden. Sprechen wir doch liebevoll und respektvoll miteinander. Gebrauchen wir eine saubere Ausdrucksweise und unterlassen wir verletzende, anstößige Begriffe und Bemerkungen. Eifern wir dem Beispiel des Heilands nach, der sich sein ganzes Leben lang stets tolerant und freundlich ausdrückte.

Eine weitere Eigenschaft, die Paulus nennt, ist die Liebe, die auch als „die reine Christusliebe“3 bezeichnet wird. Gewiss gibt es in unserem Wirkungsbereich jemanden, der einsam oder krank ist oder den der Mut verlassen hat. Wir haben die Chance, uns so jemandes anzunehmen und ihn aufzurichten. Der Erlöser spendete den Hoffnungslosen Hoffnung und stärkte die Schwachen. Er heilte Kranke. Er bewirkte, dass Lahme gingen, Blinde sahen und Taube hörten. Er erweckte sogar Tote zum Leben. Während seines gesamten Wirkens kümmerte er sich voller Nächstenliebe um die Bedürftigen. Wenn wir seinem Beispiel nacheifern, sind wir anderen und auch uns selbst ein Segen.

Wir sollen auch ein Vorbild in unserem Lebenswandel sein. Das bedeutet, dass wir uns darum bemühen, freundlich, dankbar, vergebungsbereit und wohlwollend zu sein. Diese Eigenschaften beleben uns mit einem Geist, der unsere Mitmenschen berühren wird. Im Laufe der Jahre durfte ich mit unzähligen Menschen Verbindung haben, die einen solchen Geist haben. Es ist ein ganz besonderes Gefühl, Zeit mit ihnen zu verbringen. Wir verspüren den Wunsch, bei ihnen zu sein und ihrem Beispiel nachzueifern. Sie strahlen das Licht Christi aus und tragen dazu bei, dass wir seine Liebe verspüren.

Ich möchte Ihnen von einem Erlebnis berichten, das sich vor vielen Jahren zugetragen hat. Es zeigt auf, wie dieses Licht, das ein reines, liebevolles Wesen mit sich bringt, von anderen wahrgenommen wird.

Damals kamen einige Führer der Kirche mit Beamten in Jerusalem zusammen und handelten einen Pachtvertrag für ein Grundstück aus, wo das Jerusalem-Zentrum der BYU gebaut werden sollte. Um die erforderliche Baugenehmigung zu erhalten, musste die Kirche darin einwilligen, dass die Mitglieder, die dort tätig sein sollten, jegliches Missionieren unterließen. Der Vertrag wurde unterzeichnet, und einer der israelischen Beamten, der die Kirche und die Mitglieder gut kannte, meinte, er sei sich schon sicher, dass die Kirche wirklich keine Missionsarbeit betreiben werde. „Aber“, sagte er und bezog sich auf die künftigen Studenten, „was wollen Sie denn gegen das Leuchten in ihren Augen unternehmen?“4 Möge dieses besondere Licht stets in uns leuchten, und mögen andere es sehen und dafür dankbar sein.

Ein Vorbild an Glauben zu sein bedeutet, dass wir dem Herrn und seinem Wort vertrauen. Es bedeutet, dass wir eine Überzeugung besitzen und nähren, die unseren Gedanken und Taten Richtschnur ist. Unser Glaube an den Herrn Jesus Christus und an unseren Vater im Himmel hat Einfluss auf alles, was wir tun. Inmitten der Verwirrung in unserer Zeit, der Gewissenskonflikte und des Trubels im täglichen Leben wird ein beständiger Glaube zum Anker. Denken Sie daran, dass Glaube und Zweifel nicht gleichzeitig in den Gedanken eines Menschen sein können, da eins das andere vertreibt. Ich bekräftige, was wir immer wieder hören: Damit wir Glauben erlangen und daran festhalten können, müssen wir uns eingehend mit den heiligen Schriften befassen und über sie nachdenken. Es ist unerlässlich, durch das Gebet mit dem himmlischen Vater zu sprechen. All dies dürfen wir nicht vernachlässigen, denn der Widersacher und seine Scharen halten unermüdlich danach Ausschau, ob sich in unserer Rüstung ein Löchlein bildet oder unsere Treue dahinschwindet. Der Herr sagt: „Forscht eifrig, betet immer und seid gläubig, dann wird alles zu eurem Guten zusammenwirken.“5

Und schließlich müssen wir Lauterkeit zeigen, also Reinheit in Körper, Gedanken und Geist. Wir wissen, dass unser Körper ein Tempel ist, mit dem wir ehrfürchtig und respektvoll umgehen müssen. Wir sollen den Verstand mit erbaulichen, edlen Gedanken füllen und von allem freihalten, was ihn besudelt. Wir müssen würdig sein, damit der Heilige Geist unser ständiger Begleiter sein kann. Brüder und Schwestern, Lauterkeit schenkt uns Seelenfrieden und berechtigt uns, die Verheißungen des Heilands zu empfangen. Er sagt: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.“6

Wenn wir uns bewähren und in unseren Worten, in unserem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben und in der Lauterkeit ein Vorbild sind, befähigt uns das, der Welt ein Licht zu sein.

Ihnen allen, besonders euch jungen Leuten, möchte ich sagen: Je mehr sich die Welt von den Grundsätzen und Richtlinien des liebevollen himmlischen Vaters entfernt, desto mehr heben wir uns von der Masse ab, weil wir anders sind. Wir heben uns ab, weil wir anständig gekleidet sind. Wir sind anders, weil wir keine schlechte Ausdrucksweise gebrauchen und keine Stoffe zu uns nehmen, die unserem Körper schaden. Wir sind anders, weil wir anrüchige Witze und abfällige Bemerkungen unterlassen. Wir sind anders, weil wir unsere Gedanken nicht mit Medien anfüllen, die unsittlich und herabwürdigend sind und die bewirken, dass der Geist in unserem Zuhause und in unserem Leben nicht zugegen sein kann. Ganz gewiss heben wir uns ab, weil wir sittliche Entscheidungen treffen, die mit den Grundsätzen und Maßstäben des Evangeliums vereinbar sind. Das, was uns von der Welt am meisten unterscheidet, verleiht uns außerdem das Licht und den Geist, die in einer immer finsterer werdenden Welt hell erstrahlen.

Oftmals ist es schwer, anders zu sein und in der Masse alleine dazustehen. Natürlich hat man Angst davor, was jemand anders denken oder sagen könnte. Wir finden Trost in den Worten des Psalmisten: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen?“7 Wenn wir Christus in den Mittelpunkt unseres Lebens rücken, tritt an die Stelle unserer Ängste der Mut, zu unserer Überzeugung zu stehen.

Für niemanden verläuft das Leben perfekt, und mitunter erleben wir überwältigende Schwierigkeiten und Probleme, die unser Licht ermatten lassen. Mit der Hilfe unseres himmlischen Vaters und der Unterstützung anderer können wir das Licht jedoch zurückerlangen, und es erhellt dann erneut unseren Weg und leuchtet auch anderen in der Not.

Ich möchte dies mit den anrührenden Worten aus einem meiner Lieblingsgedichte verdeutlichen, das ich vor vielen Jahren zum ersten Mal gelesen habe:

Das Licht erloschen, stand er dort,

der Fremde in der Nacht.

So fand ich ihn und gab sofort

von meinem Licht ihm sacht.

Zu später Stund ein Weltensturm

erhob sich mit Gebraus!

Und als vorüber war der Sturm,

war meine Lampe aus.

Doch nun war dieser Fremde hier

mit seiner Lampe Schein.

Er gab von seiner Flamme mir,

nun strahlt die Lampe mein.8

Meine Brüder und Schwestern, jeden Tag haben wir die Gelegenheit, unser Licht leuchten zu lassen, in welchen Umständen wir uns auch befinden mögen. Wenn wir dem Beispiel des Heilands nacheifern, können wir anderen ein Licht sein, ob es sich nun um Angehörige oder Freunde handelt, um Arbeitskollegen, flüchtige Bekannte oder gar Wildfremde.

Ich sage einem jeden von Ihnen: Sie sind ein Sohn oder eine Tochter unseres himmlischen Vaters. Sie haben seine Gegenwart verlassen, um eine Zeit lang hier auf Erden zu verweilen, die Liebe und die Lehren des Heilands zu verinnerlichen und Ihr Licht mutig für jedermann leuchten zu lassen. Wenn die Zeit auf der Erde vorbei ist und Sie Ihren Teil getan haben, empfangen Sie die herrliche Segnung, zu ihm zurückzukehren, um für immer bei ihm zu leben.

Wie beruhigend doch die Worte des Erretters sind: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“9 Für ihn lege ich Zeugnis ab. Er ist unser Erretter und Erlöser, unser Fürsprecher beim Vater. Er ist unser Vorbild, unsere Kraft. Er ist „das Licht, das in der Finsternis leuchtet“10. Ich bete, dass jeder, der mich hören kann, geloben möge, ihm nachzufolgen, und der Welt auf diese Weise ein strahlendes Licht zu werden. In seinem heiligen Namen, ja, im Namen Jesu Christi, des Herrn. Amen.