2000–2009
Gott hilft dem treuen Priestertumsträger
Oktober 2007


Gott hilft dem treuen Priestertumsträger

Die Botschaft kann sich in Form von Worten einstellen, die einem in den Sinn kommen, als Gefühl oder beides. Sie wird einem Zuversicht geben und Richtschnur darin sein, was man tun soll.

Ich stelle mir heute Abend einen Jungen irgendwo auf der Welt vor. Er fragt sich, ob er schaffen kann, was von ihm als Priestertumsträger erwartet wird. Ich hatte diese Sorge, als ich etwa 13, 14 Jahre alt war.

Ich bin im Gebiet einer Mission aufgewachsen, wo es nur einen winzigen Zweig gab, der bei mir zu Hause zusammenkam. Dann zog meine Familie an einen Ort, wo es Pfähle und große Gemeinden und Gemeindehäuser gab und Kollegien von Jungen, die alle so viel mehr als ich darüber zu wissen schienen, was ein Priestertumsträger so tut. Es gab in dieser Gemeinde ein umständliches Verfahren, das Abendmahl auszuteilen. Ich war mir beinahe sicher, dass ich einen Fehler machen würde, sobald ich an die Reihe kam, das Abendmahl auszuteilen oder vorzubereiten.

Ich weiß noch, wie ich voller Angst und Verzweiflung das Gemeindehaus verließ, um allein zu sein. Ich war besorgt. Ich betete um Hilfe und um ein wenig Zuversicht, dass ich beim Dienst in Gottes Priestertum nicht versagen würde.

Seither sind nun viele Jahre vergangen. Ich trage das Melchisedekische Priestertum seit über 50 Jahren. Aber in den vergangenen paar Tagen habe ich mit derselben Inbrunst um Hilfe und Zuversicht gebetet, dass ich in meiner Berufung in der Ersten Präsidentschaft, die ich erhalten habe, nicht versagen möge. Andere scheinen mir so viel fähiger und um ein Vielfaches besser vorbereitet zu sein. Aber als ich diesmal betete, kam es mir so vor, als könne ich die Antwort spüren, die wohl vor so langer Zeit schon vor dem Gebäude der Gemeinde Yalecrest an mich ergangen war. Genau diese Antwort kann man erwarten, wenn man vor einer Berufung im Priestertum steht, die jenseits der eigenen Möglichkeiten zu liegen scheint.

Die Botschaft kann sich in Form von Worten einstellen, die einem in den Sinn kommen, als Gefühl oder beides. Sie wird aber mindestens drei Elemente aufweisen, die einem Zuversicht geben und Richtschnur dafür sind, was man in dieser scheinbar überwältigenden Berufung tun soll.

Erstens: Die Zuversicht wird aus der Erinnerung an Zeiten erwachsen, als der himmlische Vater euch in Gefahr und Schwierigkeiten half. So ist es mir in den letzten paar Tagen gegangen.

Als ich noch klein war und noch in New Jersey wohnte, versammelte sich einmal eine große Menge wütender Leute vor unserem Haus. Meine Mutter ging hinaus, um mit ihnen zu sprechen. Sie stand allein mitten unter diesen vielen Menschen, die auf mich einen sehr gefährlichen Eindruck machten. Ich konnte nicht hören, was sie sagte, aber ein paar Minuten später zog die Menge friedlich ab. Ich weiß, dass ich ein Wunder miterlebt hatte.

Als ich schon älter war – dieses Erlebnis liegt noch gar nicht so lange zurück – hatte ich von der Ersten Präsidentschaft den Auftrag erhalten, vor eine Menge wütender Leute zu treten, die dann plötzlich und auf unerklärliche Weise ruhig und versöhnlich wurden. Ein andermal sollte ich vor Würdenträgern und Geistlichen verschiedener US-amerikanischer Kirchen sprechen, die in Minneapolis zusammenkamen, um sich mit dem Problem des Konkurrenzkampfes zwischen den Kirchen auseinanderzusetzen.

Als ich ankam, erfuhr ich, dass ich als Sprecher eingeteilt worden war. Mein Thema lautete: Warum musste die wahre Kirche durch Joseph Smith wiederhergestellt werden? Ich war in letzter Minute für Elder Neal A. Maxwell eingesprungen.

Als ich am Abend vorher am Tagungsort ankam und mir das Programm anschaute, rief ich Präsident Hinckley an. Ich sagte ihm, dass die Tagung für drei Tage angesetzt war, dass viele Reden zur selben Zeit gehalten werden sollten und dass die Teilnehmer sich aussuchen konnten, welche sie sich anhören wollten. Ich sagte ihm, dass ich fürchtete, wenn ich da die Wahrheit sagte, würde wohl keiner mehr zu meinem zweiten Vortrag kommen und dass ich dann vielleicht schon sehr schnell nach Hause käme. Ich fragte ihn, was ich seiner Meinung nach tun solle. Er antwortete: „Tun Sie, was Sie für richtig halten.“

Ich betete die ganze Nacht hindurch. Kurz vor Tagesanbruch war ich mir sicher, ich solle über die Wiederherstellung nicht sagen: „Unserer Ansicht nach ist Joseph Smith dies und das aus diesem Grund geschehen“, sondern erklären: „Folgendes ist Joseph Smith geschehen, und der Herr hat es aus folgendem Grund getan.“ Zu dieser nächtlichen Stunde erhielt ich keine Zusicherung, wie das ausgehen würde, lediglich eine klare Anweisung: Mach es so!

Zu meiner Überraschung standen die Geistlichen nach meiner Rede Schlange, um mit mir zu sprechen. Sie alle, einer nach dem anderen, erzählten mir im Prinzip das Gleiche. Jeder von ihnen hatte irgendwann einmal ein Mitglied der Kirche kennengelernt, das er bewunderte. Viele von ihnen berichteten, dass sie in einem Ort wohnten, in dem der Pfahlpräsident nach einer Katastrophe nicht nur den eigenen Mitgliedern, sondern allen Bürgern zur Hilfe eilte. Sie baten mich, Menschen, die ich nicht nur nicht kannte, sondern die ich wahrscheinlich auch nie treffen würde, ihre Grüße und ihren Dank auszurichten.

Gegen Ende der dreitägigen Veranstaltung wollten immer größere Scharen die Botschaft von der Wiederherstellung des Evangeliums und der wahren Kirche Jesu Christi hören, und dies nicht etwa, weil sie sie glaubten, sondern weil sie das Gute in anderen Menschen gesehen hatten – die Früchte der Wiederherstellung, von der ich sprach.

Bei meinen Gebeten in den letzten paar Nächten kamen mir diese und weitere Erinnerungen wieder in den Sinn und gaben mir diese Zusicherung: „Habe ich nicht immer auf dich Acht gegeben? Denk nur, wie oft ich dich zum Ruheplatz am Wasser geführt habe. Denk nur, wie oft ich dir den Tisch vor den Augen deiner Feinde gedeckt habe. Denke daran und fürchte kein Unheil.“ (Vgl. Psalm 23.)

Ihr frisch gebackenen Diakone: Denkt daran! Seit eurer Kindheit ist der Herr immer für euch da gewesen. Ihr frisch gebackenen Kollegiumspräsidenten: Denkt daran! Ihr Väter von Kindern, die es euch schwer machen: Denkt daran und fürchtet euch nicht. Im Dienste Gottes ist das, was euch unmöglich ist, mit seiner Hilfe möglich. Selbst als ihr noch sehr klein wart, und in den Jahren seither, ist er mit seiner Macht und seinem Geist vor eurem Angesicht zu eurer linken Hand und zu eurer rechten hergegangen, als ihr seinen Dienst verrichtet habt (vgl. LuB 84:88). Ihr könnt die Gewissheit empfangen, dass Gott über euch wacht, wenn ihr voll Glauben darum betet. Das weiß ich.

Das zweite Element der Botschaft, die ihr empfangen werdet, wenn ihr angesichts einer schweren Aufgabe um Hilfe betet, ist mir am Freitagmorgen ganz in der Frühe zuteilgeworden. Ich hatte, wie ihr das auch tun werdet, wegen erdrückender Unzulänglichkeiten gebetet. Als ich betete, erhielt ich die Antwort sehr deutlich und ganz direkt, und zwar in der Form eines Tadels: „Vergiss dich selbst – fang an, für die Menschen zu beten, denen du dienen sollst.“ Ich kann bezeugen: Das wirkt Wunder, wenn man den Heiligen Geist zu sich einladen möchte.

Macht euch aber darauf gefasst, das Zeitgefühl zu verlieren, wenn ihr betet. Ihr werdet Liebe für die Menschen empfinden, denen ihr dienen sollt. Ihr werdet ihre Nöte, ihre Hoffnungen, ihre Schmerzen und die Schmerzen ihrer Familie spüren. Und während ihr betet, wird der Kreis größer werden, als ihr euch vorstellen könnt – er wird sich auf Menschen erstrecken, die vielleicht nicht zu eurem Kollegium oder eurer Familie gehören, sondern zu deren Lieben in aller Welt. Wenn ihr euch selbst vergesst, um für den Kreis anderer zu beten, weitet sich euer Dienst im Herzen aus. Dadurch wandelt sich nicht nur euer Dienst, sondern auch euer Herz. Das liegt daran, dass der Vater und sein geliebter Sohn, denen zu dienen ihr berufen seid, so viele Menschen, die euer Dienst anrühren wird, kennen und lieben – auch wenn ihr selbst meint, es seien nur ganz wenige.

Das dritte und letzte Element, auf das ihr achten könnt, wenn ihr bei einer schweren Aufgabe im Priestertum um Hilfe betet, – und auch diese Antwort habe ich erhalten – ist Arbeit. Euch ist Macht im Priestertum gegeben, damit ihr anderen Gutes tun könnt. Und das bedeutet stets, dass man sich in Bewegung setzt und etwas unternimmt – meist ist es etwas Schwieriges. Ihr könnt also erwarten, dass ihr neben der Zusicherung, dass Gott euch hilft, und dem Gebot, euch selbst zu vergessen, vom Heiligen Geist die klare Eingebung bekommt, etwas zu tun, was für einen anderen ein Segen ist. Es mag etwas Offensichtliches sein, beispielsweise, dass man gebeterfüllt einen einzelnen Menschen, eine Familie oder ein Kollegiumsmitglied besucht, für das man zuständig ist. Für einen Vater kann es bedeuten, dass er eines seiner Kinder zurechtweist.

Ob ihr nun zurechtweisen oder das Evangelium Jesu Christi lehren sollt: Es gelingt euch besser, wenn ihr wisst, welchen Erfolg ihr erzielen wollt. Ihr sollt dem himmlischen Vater und seinem Sohn Jesus Christus helfen, den Menschen, denen ihr dient, das ewige Leben zu ermöglichen. Dazu muss der Geist ihnen ein Zeugnis ins Herz pflanzen. Und dieses Zeugnis muss sie zu dem Entschluss führen, die Gebote Gottes zu halten, was für Stürme und Versuchungen auch kommen mögen.

Wenn euch das bewusst ist, wird der Geist euch leiten, wenn ihr mit Macht im Priestertum lehrt oder zurechtweist. Ihr werdet euch selbst rein halten, sodass ihr mit dem Geist lehrt. Ihr werdet darum beten, dass der Geist euch sagen möge, wann und wie ihr zurechtweisen sollt und wie ihr vermehrte Liebe erweisen sollt (siehe LuB 121:43,44). Was auch immer ihr in eurem Dienst im Priestertum tut, kann daran beurteilt oder bemessen werden, wie gut es jemandem helfen könnte oder geholfen hat, ein Zeugnis von der Wahrheit so tief in seinem Leben und seinem Herzen zu verankern, dass das Sühnopfer dauerhaft wirksam wird.

Ihr könnt mit Zuversicht dienen. Ihr könnt euch selbst vergessen und anfangen, für diejenigen, denen ihr dienen sollt, zu beten und sie lieb zu haben. Und ihr könnt bestimmen, was zu tun ist, und euren Erfolg daran messen, inwieweit ihr bei den Menschen, denen ihr dient, einen Herzenswandel erzielt.

Niemals aber wird es für euch oder für diejenigen, denen ihr dient, leicht sein. Es wird immer schmerzhaft sein, so zu dienen und umzukehren, wie es erforderlich ist, damit die Macht des Sühnopfers einen Herzenswandel bewirkt. Das liegt in der Natur dessen, was zu tun ihr berufen seid. Denkt an den Erlöser, in dessen Dienst ihr steht. Wann in seinem Erdenleben gab es einen Augenblick, in dem er es leicht hatte? Hat er seine Jünger damals um etwas Einfaches gebeten? Warum sollte es dann in seinem Dienst oder für seine Jünger jemals einfach sein?

Der Grund dafür steckt in den Worten „ein reuiges Herz“, worüber ihr heute schon so gut unterwiesen worden seid. In den heiligen Schriften liest man mitunter, dass den Menschen das Herz erweicht wird, öfter aber wird der Zustand, den wir für uns und die Menschen, denen wir dienen, anstreben, mit dem Ausdruck „reuiges Herz“ beschrieben. Das kann uns helfen, zu akzeptieren, dass unsere Berufung und die Umkehr, die wir brauchen und anstreben, nicht einfach sein werden. Und es hilft uns besser zu verstehen, warum tief im Herzen der Menschen, um die wir uns bemühen, ein Zeugnis verankert werden muss. Der Glaube daran, dass Jesus Christus für ihre Sünden gesühnt hat, muss ihnen ins Herz dringen – in ein reuiges Herz.

Beschließen wir doch heute Abend gemeinsam, was wir tun wollen! Wir alle, welche Berufung wir auch haben mögen, stehen vor Aufgaben, die unsere eigenen Kräfte übersteigen. Mir geht es so, und auch euch geht es so. Das lässt sich aus der einfachen Tatsache ableiten, dass Erfolg bedeutet, im Herzen der Menschen ein Zeugnis zu verankern. Das können wir nicht allein bewerkstelligen. Auch Gott wird es niemandem aufzwingen.

Für den Erfolg ist also erforderlich, dass die Menschen, denen wir dienen, aus freien Stücken das Zeugnis des Geistes in ihr Herz aufnehmen. Der Geist steht bereit. Aber viele Menschen sind nicht bereit, ihn einzulassen. Unsere Aufgabe, und das steht in unserer Macht, besteht darin, den Geist in unser Leben einzulassen, sodass die Menschen, denen wir dienen, die Früchte des Geistes, die sie bei uns sehen, auch für sich haben wollen.

Das führt mich zu einigen Anregungen, was wir aus eigener Entscheidung tun oder lassen können. Manches, was wir tun können, lädt den Geist ein. Anderes zwingt ihn, sich zurückzuziehen. Das wisst ihr aus eigener Erfahrung.

Kein Priestertumsträger, der erfolgreich sein will, ist nachlässig darin, wohin er seine Blicke schweifen lässt. Wer sich Bilder anschaut, die Begierden erwecken, zwingt den Geist, sich zurückzuziehen. Ihr seid von Elder Clayton – und so werdet ihr stets gewarnt werden – vor den Gefahren des Internets und der Medien, die uns Pornografisches vorsetzen, gewarnt worden. Unschicklichkeit ist heutzutage dermaßen weit verbreitet, dass es im Alltag der Disziplin und einer bewussten Entscheidung bedarf, den Blick auf nichts ruhen zu lassen, was in uns Gefühle auslösen könnte, die den Geist vertreiben.

Die gleiche Sorgfalt müssen wir bei unseren Worten walten lassen. Wir können uns nicht einbilden, für den Herrn zu sprechen, wenn wir nicht auf unsere Ausdrucksweise achten. Anzüglichkeiten und derbes Fluchen beleidigen den Geist. Genau wie die Unschicklichkeit um sich gegriffen zu haben scheint, ist es auch mit vulgären und derben Ausdrücken. Früher haben nur an bestimmten Orten bestimmte Leute den Namen des Herrn missbraucht, ordinär dahergeredet und geschmacklose Witze gemacht. Heute scheint es überall und für viele gesellschaftsfähig zu sein, wo es das einst nicht war.

Ihr könnt euch entschließen, und das müsst ihr auch, eure Ausdrucksweise zu ändern – auch wenn ihr nicht bestimmen könnt, was andere sagen. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass man selbst in einer solch verfahrenen Situation auf Gottes Hilfe zählen kann. Vor Jahren saß ich als Offizier der Luftwaffe zwei Jahre lang mit einem Oberst der Marineinfanterie, einem Oberst des Heeres und einem ergrauten Marinekommandanten in einem Büro. Sie hatten sich in Kriegs- wie in Friedenszeiten eine Ausdrucksweise angewöhnt, die ich verletzend fand und die, wie ich weiß, auch den Heiligen Geist abstieß. Ich war damals Distriktsmissionar und bemühte mich, abends unter dem Einfluss des Heiligen Geistes Menschen zu finden und zu belehren. Das war sehr schwer. Ich war bloß Leutnant. Sie waren weit ranghöher als ich. Ich hatte keine Möglichkeit, ihre Ausdrucksweise zu ändern. Aber ich betete um Hilfe. Ich weiß nicht, wie Gott es angestellt hat, aber mit der Zeit änderte sich ihre Ausdrucksweise. Allmählich hörten das Fluchen und die Geschmacklosigkeiten auf. Erst wenn sie Schnaps tranken, war alles wieder so wie vorher, aber das war nur abends, und da konnte ich mich zur Missionsarbeit abmelden.

Erinnerungen wie diese können euren Glauben stärken, wenn euch das Leben vor Schwierigkeiten stellt. Gott hilft dem treuen Priestertumsträger, der entschlossen ist, auch in einer schlechten Welt nichts Böses zu sehen und zu sagen. Einfach ist es nicht. Das ist es nie. Aber ihr könnt dafür sorgen, dass für euch diese Verheißung in Erfüllung geht, wie es – das weiß ich – auch für mich geschehen kann: „Lass Tugend immerfort deine Gedanken zieren; dann wird dein Vertrauen in der Gegenwart Gottes stark werden, und die Lehre des Priestertums wird auf deine Seele fallen wie der Tau vom Himmel.“ (LuB 121:45.)

Ich bezeuge, dass ich weiß, dass wir alle das Priestertum Gottes tragen und dass er unsere Gebete erhören und uns tröstliche Zusicherungen und Hilfe gewähren wird, damit wir ihm besser dienen können. Das verheiße ich und bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.