2000–2009
Wurzeln und Zweige
April 2004


Wurzeln und Zweige

Zusammenfassend heißt das, die größten Segnungen des Lebens werden unser sein, wenn die Liebe zu Jesus Christus tief in unserem Herzen verwurzelt ist.

Bei jedem Gang durch die Sicherheitskontrolle am Flughafen werden wir aufgefordert, einen Lichtbildausweis vorzulegen. Wir sehen es ein und fügen uns, weil wir wissen, dass es notwendig und hilfreich ist. Aber ich zeige das Passfoto als Nachweis meiner wahren Identität nur ungern. Würde jemand mein Passfoto begutachten und eine große Ähnlichkeit bekunden, wüsste ich, dass es höchste Zeit ist, nach Hause zu gehen. Aber auch aus einem anderen Grund wäre es mir unangenehm. Das Foto sagt nichts über meine Wurzeln und Zweige aus. Sie sind jedoch ein bedeutender Bestandteil meiner Identität. Kann man viel über einen Baum sagen, von dem man auf einem Foto nur den Stamm sieht? Nein! Wurzeln und Zweige eines Baumes sagen sehr viel mehr aus. So ist es auch mit uns selbst und mit unserer Religion.

Eigene Wurzeln

Die eigenen Wurzeln sind sehr wichtig. Meine Frau und ich kennen eine Familie, die voll Stolz ihre Vorfahren und somit ihre Wurzeln auf großen Gemälden an der Außenwand ihres Hauses präsentiert. Herrliche Kunstwerke veranschaulichen dort die genaue Abkunft und Identität beider Familienzweige.

Wenn Verwandte sich um ein neugeborenes Baby scharen, hört man unweigerlich Kommentare wie: „Sie hat rotes Haar, genau wie ihre Mutter“ oder „Er hat ein Grübchen im Kinn, genau wie sein Vater“.

Jeder von uns hat Wurzeln, von denen er abstammt. Jeder Mann hat einige genetische Merkmale, die genau denen seines Vaters entsprechen. Jede Frau hat einige genetische Merkmale, die genau denen ihrer Mutter entsprechen.1 Außerdem hat jeder von uns weitere genetische Eigenschaften mitbekommen, die uns einzigartig machen.

Da wir außer dem physischen Körper auch einen Geist haben,2 besitzen wir auch geistige Wurzeln, die weit zurückreichen. Sie prägen unsere Werte, unsere Überzeugungen und unseren Glauben. Geistige Wurzeln bestimmen unsere Bindung an die Ideale und Lehren des Herrn.3

Kinder haben das natürliche Bedürfnis, das Beispiel ihrer Eltern nachzuahmen. Im Allgemeinen neigen Jungen dazu, der Einstellung und Arbeit ihres Vaters nachzueifern, Mädchen streben danach, wie ihre Mutter zu leben. Sie als Eltern sollten nicht allzu überrascht sein, wenn Ihre Kinder Sie irgendwann einmal überflügeln.

Für unsere eigenen physischen und geistigen Wurzeln müssen wir dankbar sein. Ich bin sowohl meinem Schöpfer als auch meinen lieben Eltern und Vorfahren dankbar für meine Existenz. Ich versuche, ihnen Ehre zu erweisen, indem ich mehr über sie erfahre und ihnen im Tempel diene.4 Für die Eltern ist es eine Pflicht, ihren Kindern und Enkeln das Wissen über die eigenen Wurzeln zu vermitteln. Es eint eine Familie, wenn sie gemeinsam mehr über ihre Geschichte erfährt.

Religiöse Wurzeln

Wir müssen auch die Wurzeln unserer Religion kennen. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wurde zwar offiziell 1830 gegründet, sie basiert aber auf Wurzeln, die ebenfalls weit zurückreichen. Die Wahrheiten vergangener Evangeliumszeiten sind jetzt gesammelt, weiter ausgeführt und erklärt worden.5 Die Glaubensartikel sind für uns als Eltern und Lehrer ein hervorragendes Lehrmaterial. Dieses Dokument wurde von Joseph Smith geschrieben6 und bezieht sich auf viele Lehren, die unseren Glauben stützen. Hier werden die Gottheit, die sittliche Selbständigkeit, der Fall Adams und das Sühnopfer Jesu Christi erwähnt. Die elementaren Grundsätze und Verordnungen, nämlich Glaube, Umkehr, Taufe und das Händeauflegen zur Gabe des Heiligen Geistes werden dargelegt. Die Vollmacht des Priestertums und seine Organisation werden angesprochen. Die Bibel, das Buch Mormon und ein nicht abgeschlossener Kanon fortlaufender Offenbarung von Gott werden als heilige Schriften bezeichnet. Und die tatsächliche Sammlung Israels wird verkündet.7 Dieses kostbare Dokument wird zu einer Schatzkammer voll Wahrheit, wenn wir unsere religiösen Wurzeln vermitteln.

Weitere offenbarte Lehren und Wurzeln unserer Religion sind die Schöpfung, die Auferstehung, das Gesetz des Zehnten, das Gebet und die vollkommenen Segnungen des Tempels. Wenn wir diese Grundsätze lehren, wird uns bewusst, wie stark unser Fundament ist. Wenn wir diese Lehren in unserem Leben anwenden, werden die Wurzeln unserer Religion Teil unserer eigenen geistigen Stärke.

Neue Mitglieder müssen ihre religiösen Wurzeln stärken. Präsident Gordon B. Hinckley hat gesagt, dass jedes neue Mitglied einen Freund und eine Aufgabe braucht und durch das gute Wort Gottes genährt werden muss. Wenn die wertvollen neuen Mitglieder und ihre Kinder auf solche Wurzeln bauen können, werden sie für ihre eigene Familie zu Pionieren, denen man nachfolgt.

Leider entfernen sich einige Mitglieder aus glaubenstreuen Familien von der Kirche, weil ihre eigenen Wurzeln kraftlos sind. Mir tut das Herz weh, wenn ich von jenen erfahre, die sich vom Glauben ihrer Pioniervorfahren abwenden. Ein beruflich erfolgreicher Freund, der ein begabter Sohn glaubenstreuer Vorfahren ist, hat sich durch einen für ihn fragwürdigen Punkt der Lehre den Blick für die Fülle des Evangeliums trüben und eine immer größer werdende Kluft zwischen sich und dem Tempel entstehen lassen. Eine andere Bekannte, eine liebe Schwester mit berühmten Pioniervorfahren, sagt mittlerweile höflich, dass sie kein „praktizierendes Mitglied“ der Kirche sei.

Sind diese lieben Menschen so modern geworden, dass sie ihre Wurzeln vergessen haben? Haben sie vergessen, was die Wiederherstellung wirklich bedeutet und wie hoch ihr Preis war? Haben sie ihr Pioniererbe und ihre Abstammung, wie sie im Patriarchalischen Segen angegeben ist, vergessen? Wollen sie für einige flüchtige Vorteile hier und jetzt das ewige Leben vergessen und verwirken? Da sie ihre segensreichen Wurzeln vergessen haben, fehlt ihnen die geistige Lebendigkeit eines Mitglieds, das im Werk des allmächtigen Gottes engagiert ist.

Ihre edlen Vorfahren wurden „zur Erkenntnis der Wahrheit gebracht, … gemäß dem Geist der Offenbarung und der Prophezeiung und der Macht Gottes“. Sie bekehrten sich zum Herrn und fielen niemals ab.8 Was mögen diese Vorfahren wegen der Abkehr ihrer Nachkommen empfinden? Ihre Enttäuschung wird wohl bald der Trauer weichen, denn eine Frucht, die von den Wurzeln getrennt wird, hält sich nicht lange.

Der Herr hat uns ernstlich gewarnt:

„Nachdem ihr … mit dem guten Wort Gottes genährt worden seid, … werdet ihr diese Worte … der Propheten verwerfen, und werdet ihr alle die Worte, die über Christus gesprochen worden sind, verwerfen … und die Macht Gottes und die Gabe des Heiligen Geistes … und aus dem großen Plan der Erlösung, der für euch geschaffen wurde, ein Gespött machen?

[Die] Auferstehung … [wird] euch dahin bringen, dass ihr in Schande und mit furchtbarer Schuld vor dem Gericht Gottes steht[.]“9

Ich bitte jeden von uns inständig, dieser heiligen Warnung Beachtung zu schenken.

Eigene Zweige

So, wie unsere Wurzeln in bedeutendem Maße bestimmen, wer wir sind, stellen auch unsere Zweige eine wichtige Erweiterung unserer Identität dar. Diese Zweige tragen die Frucht unserer Lenden.10 Die heiligen Schriften lehren: „An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen.“11 Früher trafen meine Frau und ich oft junge Leute, die sagten, sie hätten das Gefühl, uns zu kennen, weil sie unsere Kinder kannten. Jetzt werden wir liebevoll von denen gegrüßt, die uns kennen, weil sie unsere Enkel kennen.

Religiöse Zweige

Fast genauso kann man unsere Religion an der Frucht ihrer Zweige erkennen. Vor kurzem traf ich mich mit Regierungsbeamten eines weit von Utah entfernten Landes, die von der Kirche und ihren Bemühungen in aller Welt sehr beeindruckt waren. Ihnen gefielen unsere Lehren über die Familie und sie baten um Exemplare der Proklamation an die Welt und Anleitungen für den Familienabend. Sie wollten mehr über unser Wohlfahrtsprogramm und unsere humanitäre Hilfe erfahren. Wir gingen so gut wir konnten auf alles ein und lenkten die Aufmerksamkeit dann von dem, was wir tun, darauf, warum wir es tun. Ich erklärte dies am Beispiel eines Baumes. „Ihnen gefallen verschiedene Früchte unserer Religion“, sagte ich. „Es gibt sehr viele davon und sie sind gehaltvoll. Aber Sie können diese Früchte nicht genießen, wenn Sie den Baum nicht kennen, der sie hervorbringt. Und Sie können den Baum nicht kennen, solange Sie seine Wurzeln nicht begreifen. Bei unserer Religion können Sie die Früchte nicht ohne die Wurzeln bekommen.“ Das verstanden sie.

Zu den Früchten des verzweigten Evangeliumsbaumes zählen „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte [und] Treue“.12 Präsident Harold B. Lee hat einmal gesagt: „Gute, köstliche Frucht wächst nur dann, wenn die Wurzeln des … Baumes in fette, fruchtbare Erde gepflanzt worden sind und dem richtigen Schnitt, der Pflege und der Bewässerung die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auf gleiche Weise kann die köstliche Frucht der Tugend und Keuschheit, Ehrlichkeit, Mäßigung, Integrität und Treue nicht aus Menschen erwachsen, deren Leben nicht auf ein festes Zeugnis von den Evangeliumswahrheiten sowie dem Leben und der Mission des Herrn Jesus Christus gründet.“13

Die Früchte des Evangeliums sind denen köstlich, die dem Herrn gehorchen. Bildung ist uns wichtig, denn wir wissen, „die Herrlichkeit Gottes ist Intelligenz“.14 Die Segnungen des Zehnten erlangt man, wenn man den Zehnten zahlt.15 Man erhält seinen Lohn durch das Wort der Weisheit, wenn man es befolgt.16 Wenn wir das Evangelium leben, lernen wir durch eigene Erfahrung, dass das Gebet, die Sabbatheiligung und die Teilnahme am Abendmahl uns vor der Knechtschaft der Sünde schützen. Wir meiden Pornografie und Unmoral, weil wir wissen, dass wir den Frieden persönlicher Reinheit nur dann erfahren können, wenn wir nach den Gesetzen des Evangeliums leben.

Der Herr hat uns die Verheißung und das Gebot gegeben: „Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch … Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“17 Zusammenfassend heißt das, die größten Segnungen des Lebens werden unser sein, wenn die Liebe zu Jesus Christus tief in unserem Herzen verwurzelt ist.18

Zeugnis

Unsere eigene Identität ist viel mehr als nur ein Passfoto. Wir haben auch Wurzeln und Zweige. In jedem von uns ist etwas Göttliches verwurzelt. „Wir alle sind das Werk [der] Hände“ unseres Schöpfers.19 Wir sind ewige Wesen. Im vorirdischen Reich wurden wir Brüder in Bezug auf unsere Priestertumsaufgaben vorherordiniert.20 Vor Grundlegung der Welt wurden die Frauen darauf vorbereitet, dass sie Kinder gebären und Gott verherrlichen.21

Wir kamen in diese irdische Welt, um einen Körper zu bekommen, um geprüft und auf die Probe gestellt zu werden.22 Wir sollen eine Familie gründen und im heiligen Tempel gesiegelt werden, voller Freude und mit liebevollen Beziehungen, die in alle Ewigkeit weiter bestehen. In diesen ewigen Wahrheiten ist jeder von uns verwurzelt.

Die Zweige unserer Familie und des Evangeliums tragen Früchte, die unser Leben bereichern. Gottes Werk und seine Herrlichkeit – „die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“ – können auch die unseren werden.23 Wir können mit ihm und unserer Familie für immer zusammen sein. Diese Segnungen gewährt Gott den Glaubenstreuen auf seine eigene Weise und zu seiner eigenen Zeit.24

Gott lebt. Jesus ist der Messias. Joseph Smith ist der Offenbarer und Prophet dieser letzten Evangeliumszeit. Das Buch Mormon ist wahr. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist das Reich des Herrn, das auf Erden wiederhergestellt worden ist. Präsident Gordon B. Hinckley ist sein lebender Prophet. Wenn wir in diesen Wahrheiten verwurzelt bleiben, wird die Frucht unserer Zweige bestehen bleiben.25 Das bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Zusätzlich zu der genetischen Information, die jedes Kind von seiner Mutter und seinem Vater erhält, gibt die Mutter sowohl ihren Söhnen als auch ihren Töchtern einen kleinen Satz DNA aus den Mitochondrien weiter.

  2. Siehe LuB 88:15

  3. Siehe Epheser 3:14-19, Kolosser 2:6,7

  4. Siehe LuB 128:15

  5. Siehe LuB 128:18

  6. Die Glaubensartikel waren Teil eines Briefes an John Wentworth, Herausgeber und Eigentümer einer Zeitung in Chicago; erstmals veröffentlicht in Times and Seasons am 1. März 1842; siehe Ensign, Juli 2002, Seite 26ff.

  7. In diesem Dokument werden auch Gaben des Geistes erwähnt, die das Leben der Mitglieder der Kirche bereichern. Große Ereignisse der Letzten Tage werden vorausgesagt, zum Beispiel die Wiederherstellung der Zehn Stämme, die Errichtung Zions und die Regierung Jesu Christi im Millennium auf einer erneuerten Erde. Weiterhin werden die Grundsätze der Religionsfreiheit, der Toleranz und des Gehorsams gegenüber dem Gesetz erwähnt. Den Schluss bildet eine Aussage über unsere Einstellung zum Leben und zu hohen Grundsätzen.

  8. Siehe Alma 23:6

  9. Jakob 6:7-9

  10. Siehe beispielsweise 2 Nephi 3:6,7

  11. Matthäus 7:20, 3 Nephi 14:20, siehe auch JSÜ–Matthäus 7:25

  12. Galater 5:22

  13. Stand Ye in Holy Places, 1974, Seite 218f.

  14. LuB 93:36

  15. Siehe Maleachi 3:10, 3 Nephi 24:10

  16. Siehe LuB 89:18-21

  17. Johannes 15:3-5

  18. Siehe Epheser 3:17

  19. Jesaja 64:7

  20. Siehe Alma 13:1-5

  21. Siehe LuB 132:63

  22. „So wie Abraham“ (LuB 101:4); siehe auch Hebräer 11:17

  23. Mose 1:39

  24. Siehe LuB 88:68. „Wenn wir irgendeine Segnung von Gott erlangen, dann nur, indem wir das Gesetz befolgen, auf dem sie beruht.“ (LuB 130:21)

  25. Siehe Johannes 15:16