2000–2009
Habt Glauben!
April 2004


Habt Glauben!

Glaubt an euch. Glaubt daran, dass ihr niemals allein seid. Glaubt daran, dass ihr immer geführt werdet.

Vor einigen Monaten wurde ich gebeten, zu den Jungen Damen des Pfahles zu sprechen, in dem ich aufgewachsen bin. Ich freute mich und war sehr aufgeregt. Meine Mutter begleitete mich. Wir trafen etwas zu früh ein. Die Versammlung fand in dem Gemeindehaus statt, das ich besucht hatte, bis ich zur Universität ging. Ich war lange nicht mehr dort gewesen und konnte nicht ahnen, was geschehen würde, wenn ich durch die Tür trat. Eine Flut von Erinnerungen stürmte auf mich ein und mir traten Tränen in die Augen. Meine Mutter sah mich an und meinte: „Elaine, fang jetzt nicht an zu weinen.“ Aber meine Tränen flossen, als ich am Ende der schönen Marmortreppe das Büro sah, wo mein Vater als Bischof gearbeitet hatte. Als ich die Treppe hinaufging, stand die Tür zum Bischofsbüro offen. Ich ging hinein und sah, dass es in ein kleines Klassenzimmer umgewandelt worden war. Wieder stürmten zahllose Erinnerungen auf mich ein. In Gedanken konnte ich meinen Vater hinter dem Schreibtisch sitzen sehen und mich selbst als kleines Mädchen auf dem Stuhl davor, wie ich den Zehnten zahlte, oder als junge Dame bei einer Unterredung oder einem Priestertumssegen. Meine Liebe zu diesem Gebäude war eng mit den geistigen Erlebnissen und Gefühlen verbunden, die ich dort gehabt hatte.

Als kleines Mädchen begleitete ich meinen Vater, der Bischof war, oft in die Kirche und wartete, bis seine Sitzungen oder Interviews vorbei waren. Ich beschäftigte mich, indem ich alles erkundete. Ich kannte jede Ecke und jeden Winkel des Gebäudes. Zu meinen Lieblingsräumen zählte das Turmzimmer. Das war ein großer Raum, zu dem eine steile Treppe hinaufführte. Über dem großen Kamin des Zimmers hing ein Bild des Erretters. Von diesem Raum wurde ich immer magisch angezogen. Ich stieg die Stufen hinauf und ging andächtig hinein. Ich setzte mich auf einen Stuhl, schaute das Bild des Erretters an und betete zum Himmlischen Vater. Es waren ganz einfache Gebete. Aber immer, wenn ich betete, schien mich ein ganz besonderes Gefühl einzuhüllen, und ich wusste, dass er meine kindlichen Gebete hörte. Dort begann ich zu glauben.

Der Herr hat uns verheißen, dass „alles zu [unserem] Guten zusammenwirken [wird]“, wenn wir „eifrig [forschen], immer [beten] und gläubig [sind]“ (LuB 90:24; Hervorhebungen hinzugefügt). Das heißt nicht, dass alles perfekt laufen wird oder dass uns Prüfungen erspart bleiben, aber es heißt, dass sich alles zum Guten wenden wird, wenn wir nur durchhalten. Wir haben die Möglichkeit, „ein Vorbild … im Glauben“ (1 Timotheus 4:12) zu sein, und der Erretter hat versichert: „Alles kann, wer glaubt.“ (Markus 9:23.) Glaubt also an euch. Glaubt daran, dass ihr niemals allein seid. Glaubt daran, dass ihr immer geführt werdet.

Glaubt an euch

Elder David B. Haight vom Kollegium der Zwölf Apostel hat über euch gesagt: „Wir glauben an euch, eure Eltern und Geschwister glauben an euch, und Gott erwartet das Beste von euch. Ihr müsst an euch glauben. Gebt nicht auf, wenn es schwierig wird, denn ihr legt die Grundlage für ein großes Werk, und dieses große Werk ist euer Leben.“ („Eine Zeit der Vorbereitung“, Der Stern, Januar 1992, Seite 35.)

Präsident Hinckley hat uns gesagt: „Ich glaube an mich selbst. Ich will mich nicht selbst loben. Aber ich glaube daran, dass ich fähig bin und dass Sie fähig sind, Gutes zu tun, in der Gesellschaft, zu der wir gehören, unseren Beitrag zu leisten, uns weiterzuentwickeln und manches zu tun, was wir jetzt vielleicht für unmöglich halten … Ich glaube daran, dass ich in dieser Welt etwas bewirken kann. Vielleicht ist es nicht viel. Aber es trägt zum großen Ganzen bei.“ („Ich glaube“, Der Stern, März 1993, Seite 8.)

Ihr seid eine der großartigsten Generationen Junger Damen, die je auf der Erde gelebt haben. Bevor ihr zur Erde gekommen seid, wurdet ihr vom Vater selbst belehrt. Ihr wurdet zurückbehalten, um zu einem besonderen Zweck auf die Erde zu kommen. Jede von euch hat bestimmte Dinge zu tun, die niemand sonst so gut tun kann. Ihr müsst eure Bestimmung erfüllen.

Als glaubenstreues Mädchen könnt ihr durch euer rechtschaffenes Beispiel in der Welt etwas bewirken, „darum werdet nicht müde, Gutes zu tun, denn ihr legt die Grundlage für ein großes Werk“ (LuB 64:33).

Glaubt daran, dass ihr niemals allein seid

Wenn ihr euch bemüht, ein Vorbild im Glauben zu sein, habt ihr vielleicht das Gefühl, dass ihr ganz allein dasteht. Vielleicht habt ihr den Eindruck, dass nur ihr euch ernsthaft bemüht, rechtschaffen und rein zu sein. Vielleicht habt ihr den Eindruck, dass nur ihr danach strebt, anständig zu handeln, zu sprechen und aufzutreten. Aber ihr seid nicht allein. Es gibt überall auf der Welt tausende junge Damen wie ihr, die danach streben, ein Vorbild im Glauben zu sein.

Carmelita und Rosario, zwei junge Damen aus Jalapa in Mexiko, gehören zu diesen Vorbildern im Glauben. Sie sind die einzigen Mitglieder der Kirche in ihrer Familie und sie leben allein. Als ich ihr bescheidenes Zuhause besuchte, bezeugten sie, dass der Himmlische Vater sie sehr liebt, weil er die Missionare gesandt hat, um sie im Evangelium zu belehren. Auch wenn ihr Leben nicht leicht ist, vertrauen sie jeden Tag auf die liebende Fürsorge und Führung ihres Himmlischen Vaters.

Carmelita und Rosario und einer jeden von euch bezeuge ich, dass ihr niemals allein seid. Der Herr hat verheißen: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“ (LuB 84:88.)

Glaubt daran, dass ihr geführt werdet

Wenn ihr eifrig in den heiligen Schriften forscht und immer betet, werdet ihr vom Herrn geführt werden. Eine junge Dame in der Mongolei hörte die Worte der Propheten, als die Missionare ihr Ausschnitte aus dem Buch Mormon vorlasen. Das Buch Mormon war noch nicht in ihre Sprache übersetzt worden, aber als die Missionare die Worte für sie übersetzten, glaubte sie und ließ sich taufen. Sie wurde in der Mongolei ein Vorbild im Glauben.

Später wurde sie auf Mission nach Salt Lake City berufen. Was für eine große Freude für sie! Sie lernte Englisch und kaufte ihre eigenen heiligen Schriften. Als sie uns zu Hause besuchte, las sie andächtig aus ihren neuen heiligen Schriften vor. Sie liebte sie. Ich bemerkte, dass auf jeder Seite fast alles gelb markiert war. Ich sagte: „Schwester Sarantsetseg, Ihre Schriften sehen aus wie die goldenen Platten!“ Sie antwortete: „Ich markiere nur die Stellen, die mir gefallen.“

Alles in den heiligen Schriften lässt sich auf unser Leben anwenden. Sie geben Antwort auf unsere Fragen, sie bieten uns Vorbilder und Helden und zeigen uns, wie wir mit Herausforderungen und Prüfungen umgehen können. Oft sind die Schriftstellen, die ihr lest, die Antwort auf ein Gebet.

Als ich ungefähr in eurem Alter war, wurde mein Vater sehr krank. Wir dachten, es sei nur eine Erkältung, aber die Zeit verging und sein Zustand verschlechterte sich zusehends. Zu der Zeit lernte ich, was es heißt, „immer“ zu beten (siehe 2 Nephi 32:9). Ich hatte immer ein Gebet im Herzen und suchte immer wieder die Einsamkeit, um im Gebet dem Himmlischen Vater mein Herz auszuschütten und ihn zu bitten, meinen Vater zu heilen. Nach mehrwöchiger Krankheit ging mein Vater von uns. Ich war sehr niedergeschlagen und hatte Angst. Was würde unsere Familie ohne unseren Vater tun, den wir so sehr liebten? Wie sollten wir weitermachen? Ich hatte das Gefühl, der Himmlische Vater habe meine inbrünstigen Gebete weder gehört noch beantwortet. Mein Glaube wurde geprüft. Ich wandte mich an den Himmlischen Vater und fragte: „Himmlischer Vater, bist du wirklich da?“

Viele Monate lang betete ich um Hilfe und Führung. Ich betete für meine Familie und darum, verstehen zu können, warum mein Vater nicht wieder gesund geworden war. Einige Zeit schien es mir, als wären die Himmel verschlossen, aber als Familie beteten wir weiterhin um Trost und Führung. Auch ich hörte nicht auf zu beten. Viele Monate später saß ich dann eines Tages in der Abendmahlsversammlung und bekam meine Antwort in Form einer Schriftstelle. Der Sprecher sagte: „Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit; such ihn zu erkennen auf all deinen Wegen, dann ebnet er selbst deine Pfade.“ (Sprichwörter 3:5,6.) Ich war von Frieden erfüllt und hatte das Gefühl, allein in der Kapelle zu sein. Das war meine Antwort. Der Himmlische Vater hatte meine Gebete erhört!

Diese Erfahrung liegt viele Jahre zurück, aber ich kann mich noch immer lebhaft daran erinnern und bezeuge, dass er selbst meine Pfade geebnet hat. Ich weiß: Wenn wir an ihn glauben und ihm vertrauen, „wird alles zu [unserem] Guten zusammenwirken“.

An euch ergeht die gleiche Aufforderung, die Paulus einst an seinen jungen Freund Timotheus richtete: „Sei den Gläubigen ein Vorbild.“ (1 Timotheus 4:12.) Werdet ihr ein Vorbild sein? Werdet ihr der Welt und dem Herrn zeigen, dass ihr glaubt – dadurch, wie ihr euch kleidet, wie ihr sprecht, wie ihr euren Körper respektiert und durch euer reines Leben? Die Welt braucht junge Damen, die im Glauben vorbildlich sind.

Glaubt an den Erretter. Er liebt euch, und ich bezeuge euch, dass er euch nicht allein lassen wird. Er hat verheißen:

Sei still, ich bin bei dir, o hab keine Angst.

Dein Gott hilft bei allem, wovor dir auch bangt.

Ich stärke dich, helf dir, so du kannst bestehn.

Dann kannst du deinen Weg mit meiner Allmacht gehn.

(„How Firm a Foundation“, Hymns, Nr. 85, 3. Strophe; siehe auch Jesaja 41:10; 43:2-5.)

Ich glaube, dass eine jede von euch die Welt ändern kann. Glaubt an euch. Glaubt daran, dass ihr niemals allein seid. Glaubt daran, dass ihr geführt werdet. Im Namen Jesu Christi. Amen.