2000–2009
Gott in allem danken
April 2003


Gott in allem danken

Wer Gott in allem dankt, sieht, dass Schwierigkeiten und Bedrängnisse mit dem Sinn des Lebens zusammenhängen.

Im Buch Mormon lesen wir, dass der Herr in einer Zeit geistigen und zeitlichen Ungemachs, in der die Menschen „allerart Bedrängnisse“ litten, gebot, dass sie Gott „in allem … danken“ (Mosia 26:38,39). Das möchte ich auf die heutige Zeit beziehen.

I.

Den Kindern Gottes ist schon seit jeher geboten worden, Gott zu danken. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament gibt es dafür Beispiele. Der Apostel Paulus schreibt: „Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört.“ (1 Thessalonicher 5:18.) Der Prophet Alma lehrt: „Wenn du dich morgens erhebst, so lass dein Herz von Dank erfüllt sein gegen Gott.“ (Alma 37:37.) Und in den neuzeitlichen Offenbarungen sagt der Herr: „Wer alles mit Dankbarkeit empfängt, der wird herrlich gemacht werden; und die Dinge dieser Erde werden ihm zufallen, ja, hundertfältig und mehr.“ (LuB 78:19.)

II.

Es gibt so viel, wofür wir dankbar sein müssen. In erster Linie sind wir dankbar für unseren Erretter, Jesus Christus. Gemäß dem Plan des Vaters erschuf er die Welt. Durch seine Propheten tat er den Plan der Errettung mit den dazugehörigen Geboten und Verordnungen kund. Er kam zur Erde, um uns zu belehren und uns den Weg zu weisen. Er litt und zahlte den Preis für unsere Sünden, sofern wir nur umkehren. Er gab sein Leben und besiegte den Tod und stand auf vom Grab, damit wir alle wieder leben können. Er ist das Licht und das Leben der Welt. König Benjamin hat gelehrt: Wenn wir all den Dank und das Lob, dessen unsere ganze Seele fähig ist, dem Gott darbringen, der uns erschaffen hat und der uns auch erhalten und bewahrt hat, so wären wir, selbst wenn wir ihm mit ganzer Seele dienten, dennoch unnütze Knechte. (Siehe Mosia 2:20,21.)

Wir sind dankbar für die Wahrheiten, die uns zuteil geworden sind und die den Maßstab darstellen, den wir überall anlegen können. Aus der Bibel lernen wir, dass der Herr Apostel und Propheten eingesetzt hat, damit die Heiligen vollkommen gemacht werden können (siehe Epheser 4:11). Die Wahrheiten, die sie uns kundtun, setzen wir in die Tat um, damit wir dann „nicht mehr unmündige Kinder [seien], ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt“ (Epheser 4:14). Wer sowohl jedes Unglück als auch jede neu aufgestellte Behauptung oder Entdeckung am Maßstab offenbarter Wahrheit misst, braucht sich nicht hin und her treiben zu lassen, sondern kann ruhig sein und inneren Frieden haben. Gott ist im Himmel, und seine Verheißungen sind sicher. „Beunruhigt euch nicht“, sagt der Herr in Bezug auf die Zerstörungen, die dem Ende der Welt vorangehen werden, „denn wenn dies alles geschehen wird, könnt ihr wissen, dass die Verheißungen, die euch gemacht worden sind, in Erfüllung gehen werden.“ (LuB 45:35.) Ist das nicht in dieser schwierigen Zeit fürwahr ein Anker für die Seele?!

Wir danken für die Gebote. Sie weisen den Weg von den Fallstricken weg und laden uns ein, Segnungen zu empfangen. Die Gebote sind Wegweiser. Sie zeigen uns, wie man in diesem Leben glücklich wird und ewiges Leben in der zukünftigen Welt erlangt.

III.

Auf den Philippinen habe ich in den vergangenen acht Monaten viele Zeugnisse von den Segnungen des Evangeliums gehört. Anlässlich der Weihung eines Gemeindehauses sprach der Bischof darüber, wie dankbar er für die Botschaft des Evangeliums sei, das er vor etwa zehn Jahren angenommen hatte. Er erzählte, wie er dadurch einer selbstsüchtigen, ausschweifenden, zerstörerischen Lebensweise entrinnen konnte und ein guter Ehemann und Vater wurde. Er gab Zeugnis, dass er gesegnet worden war, weil er den Zehnten zahlte.

Auf einer Führerschaftsversammlung sagte ein Ratgeber in der Pfahlpräsidentschaft, von Beruf Anwalt und eine führende Persönlichkeit im Gemeinwesen: „Ich kann aller Welt vorbehaltlos sagen, dass die Tatsache, dass ich mich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Tage angeschlossen habe, das Beste ist, was mir je widerfahren ist. Dies … hat für mich und meine Familie immens viel bewirkt, auch wenn ich spüre, dass es noch so viel mehr zu lernen und in die Tat umzusetzen gilt. Die Kirche ist in der Tat ein wunderbares Werk, ja, ein Wunder.“

Man muss aber nicht auf die Philippinen reisen, um solche Zeugnisse hören zu können. Es gibt sie überall, wo die Menschen die Botschaft des Evangeliums annehmen und entsprechend leben. Meine Frau und ich sind jedoch von Herzen dankbar, dass wir auf den Philippinen leben und dienen dürfen. In einem völlig neuen Umfeld haben wir tausende wunderbarer Mitglieder kennen gelernt und sehen das Evangelium nun in einem neuen Licht.

Dort, wo die Kirche noch in den Kinderschuhen steckt, lernen wir, wie wichtig es ist, die Kirche aufzurichten – nicht bloß Menschen zu unterweisen und zu taufen, sondern die neuen Mitglieder auch in der Kirche aktiv zu halten, indem wir ihnen Liebe entgegenbringen, ihnen Berufungen übertragen, sie zum Priestertum ordinieren und sie durch das gute Wort Gottes nähren. Wir lernen, wie wichtig es ist, die Mitglieder dazu anzuhalten, dass sie Bräuche und Traditionen aufgeben, die den Geboten und Bündnissen des Evangeliums entgegenstehen, und so leben, dass sie „nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht [sind], sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, … auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; [und] der Schlussstein ist Christus Jesus selbst“ (Epheser 2:19,20).

Wer dies tut, wird Teil der weltweiten Evangeliumskultur mit ihren Geboten und Bündnissen und heiligen Handlungen und Segnungen. So jemand erfährt „eine mächtige Wandlung“ im Herzen, die bewirkt, dass er „keine Neigung mehr [hat], Böses zu tun, sondern, ständig Gutes zu tun“ (Mosia 5:2). „Das Abbild Gottes“ ist dann seinem „Gesichtsausdruck aufgeprägt“ (Alma 5:19). Solche Jünger Christi gibt es in jedem Land, in dem das Evangelium und die Kirche aufgerichtet sind. Auf den Philippinen gibt es viele davon, und wir arbeiten daran, dass es noch mehr werden. Wir tun dies folgendermaßen: Wir arbeiten von bereits bestehenden starken Zentren aus und unterweisen die Menschen vornehmlich dort, wo schon ausreichend große Gruppen engagierter Mitglieder bestehen, die die neuen Mitglieder eingliedern und unterweisen, die ihnen ein Beispiel und die Hilfe geben, die diese neugeborenen Mitglieder brauchen, weil sie ja gerade erst lernen, was das Evangelium von uns fordert und was es uns gibt.

IV.

Aus den Offenbarungen, für die wir dankbar sind, geht hervor, dass wir sogar für unsere Bedrängnisse danken sollen, weil sie bewirken, dass wir das Herz Gott zuwenden, und weil wir dadurch zu dem werden können, was Gott erwartet. Den Propheten Moroni ließ der Herr wissen: „Ich gebe den Menschen Schwäche, damit sie demütig seien.“ Und er verheißt sodann: „Wenn sie sich vor mir demütigen und Glauben an mich haben, dann werde ich Schwaches für sie stark werden lassen.“ (Ether 12:27.) Als die Mitglieder in Missouri große Verfolgung zu erleiden hatten, stellte der Herr eine ähnliche Lehre klar dar und gab ihnen eine ähnliche Verheißung: „Wahrlich, ich sage euch, meine Freunde: Fürchtet euch nicht; euer Herz sei getrost; ja, freut euch immerdar, und seid in allem dankbar; … und alles, womit ihr bedrängt seid, wird sich für euch zum Guten … auswirken.“ (LuB 98:1,3.) Als Joseph Smith im Gefängnis zu Liberty leiden musste, sprach der Herr zu ihm: „Wisse, mein Sohn, dass dies alles dir Erfahrung bringen und dir zum Guten dienen wird.“ (LuB 122:7.) Brigham Young verstand dies ebenfalls. Er sagte: „Es gibt nicht einen Zustand im Leben [oder] die Erfahrung einer einzigen Stunde, die nicht für alle, die sich damit befassen und es sich zum Ziel gemacht haben, aus ihren Erfahrungen etwas zu machen, von Nutzen wären.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche – Brigham Young, Seite 179.)

Es besteht, wie jemand einmal treffend gesagt hat, ein großer Unterschied zwischen einer zwanzigjährigen Erfahrung und der Erfahrung eines Jahres, zwanzig Mal wiederholt. Wer die Lehren und Verheißungen des Herrn versteht, lernt und wächst aufgrund seiner Bedrängnisse.

In Lehren der Präsidenten der Kirche, dem Leitfaden für das Melchisedekische Priestertum und die FHV, stehen viele inspirierte Lehren der neuzeitlichen Propheten. Die darin enthaltenen zeitlosen Lehren und Grundsätze sind eine Quelle göttlicher Weisheit und Führung. Eine weise Lehrkraft zieht ihnen nicht selbstgewählte Themen und eigene Weisheiten vor, sondern sie konzentriert sich auf diese inspirierten Lehren und wie sie sich im heutigen Leben und unter heutigen Gegebenheiten umsetzen lassen.

So lesen wir etwa im diesjährigen Band, dass Präsident John Taylor gesagt hat, wir müssen für das dankbar sein, was wir erleiden: „Wir haben durch Leiden vieles gelernt. Wir nennen es Leiden. Ich nenne es eine Schule der Erfahrung. … Ich sehe das seit jeher so, dass Prüfungen dazu dienen, die Heiligen Gottes zu reinigen, damit sie, wie die heiligen Schriften es nennen, wie Gold seien, das siebenfach im Ofen geläutert wurde.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: John Taylor, Seite 203.) Pioniere wie Präsident John Taylor, die die Ermordung des Propheten Joseph Smith miterlebt und um ihres Glaubens willen heftige Verfolgung und unvorstellbare Schwierigkeiten zu ertragen hatten, priesen Gott und dankten ihm. Infolge ihrer Herausforderungen und des Mutes und der inspirierten Taten, mit denen sie ihren Schwierigkeiten begegneten, wuchsen sie im Glauben und nahmen an Geisteskraft zu. Durch ihre Bedrängnisse wurden sie so, wie Gott es wollte, und legten den Grund des großen Werks, das uns heute ein Segen ist.

Wie die Pioniere sollen wir Gott für unsere Bedrängnisse danken und ihn um Führung bitten, wie wir damit umgehen sollen. Mit dieser Einstellung und durch unseren Glauben und Gehorsam werden die Verheißungen, die Gott uns gegeben hat, für uns Wirklichkeit. Das alles gehört mit zum Plan.

Mir gefällt Anatevka – sowohl das Musical als auch der gleichnamige Film. Darin singt dieser sympathische jüdische Vater „Wenn ich einmal reich wär“. Und sein Gebet schließt mit der flehentlichen Frage:

Gott, du schufst den Löwen und das Lamm,

warum bin nicht ich ein reicher Mann?

Wär es gegen deinen großen Plan,

wäre ich ein reicher Mann?

(Text von Sheldon Harnick, 1964.)

Es könnte durchaus so sein, Tevje! Danken wir Gott für das, was wir sind, und für die Umstände, in die er uns auf unserer Reise durchs Erdenleben gestellt hat.

Der Prophet Lehi hat vor alters seinen Sohn Jakob die folgende Wahrheit gelehrt:

„Als Kind musstest du Bedrängnis und viel Mühsal ertragen wegen der Rohheit deiner Brüder.

Und doch, Jakob, mein Erstgeborener in der Wildnis, kennst du die Größe Gottes, und er wird deine Bedrängnisse weihen, dass sie dir zum Gewinn gereichen.“ (2 Nephi 2:1,2.)

Meine Mutter mochte diese Schriftstelle sehr. Sie lebte nach diesem Grundsatz. Das größte Leid ihres Lebens widerfuhr ihr, als ihr Mann, unser Vater, nach nur elf Ehejahren verstarb. Dadurch änderte sich ihr Leben von Grund auf, und unter großer Mühe bestritt sie allein den Lebensunterhalt und zog ihre drei Kinder groß. Und doch hörte ich sie oft sagen, dass der Herr ihre Bedrängnisse geweiht hatte, so dass sie ihr zum Gewinn gereichten, weil sie durch den Tod ihres Mannes dazu gezwungen war, ihre Talente zu entfalten und zu dienen und etwas aus sich zu machen, was ohne diese scheinbare Tragödie nicht aus ihr geworden wäre. Unsere Mutter besaß geistige Stärke und Größe. Sie verdiente in jeder Hinsicht den Tribut, den ihr ihre Kinder auf den Grabstein meißeln ließen: „Ihr Glaube hat allen Kraft gegeben.“

Bedrängnisse können auch anderen zum Segen gereichen. Ich weiß, es war ein Segen, dass wir bei unserer verwitweten Mutter aufwuchsen, denn von klein auf lernten wir Kinder schon hart arbeiten. Ich weiß: Relativ arm zu sein und hart arbeiten zu müssen ist kein größeres Unglück als Wohlstand und reichlich Freizeit. Ich weiß auch: Wenn man in Bedrängnis ist, entwickelt man Kraft; man entwickelt Glauben, wenn man nicht sehen kann, wohin der nächste Schritt führt.

V.

Wer Gott in allem dankt, sieht, dass Schwierigkeiten und Bedrängnisse mit dem Sinn des Lebens zusammenhängen. Wir sind hier, um geprüft zu werden. Es muss in allem einen Gegensatz geben. Wir sollen aus diesen Gegensätzen lernen. Wir sollen dadurch wachsen, dass wir unsere Herausforderungen überwinden und andere darin unterweisen, dies ebenfalls zu tun. Unser lieber Mitarbeiter Elder Neal A. Maxwell ist uns hierin ein großes Vorbild. Der Mut und die Ergebenheit, mit der er seine Krebserkrankung hinnimmt, und sein beständiges Dienen spenden Tausenden Trost und lehren Millionen einen ewigen Grundsatz. Wie sein Beispiel zeigt, weiht der Herr unsere Bedrängnisse nicht nur, damit sie uns zum Gewinn gereichen, sondern er nimmt sie auch zum Anlass, zahllosen Menschen ein Segen zu sein.

Jesus lehrte dies, als er und seine Jünger einen Mann trafen, der von Geburt an blind war. „Wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, sodass er blind geboren wurde?“, wollten die Jünger wissen. Keiner von denen, gab Jesus zur Antwort. Der Mann war blind geboren worden, damit „das Wirken Gottes … an ihm offenbar“ werde. (Johannes 9:2,3.)

Betrachten wir das Leben aus einer geistigen Perspektive, so können wir erkennen, dass Gottes Werk oftmals dadurch vorangeht, dass seine Kinder Bedrängnis erleiden. Ich besuche häufig die amerikanische Kriegsopfergedenkstätte in Manila. Für mich ist es ein heiliger Ort. Dort liegen über 17 000 Soldaten und Angehörige der Marine und der Luftwaffe begraben, die im Zweiten Weltkrieg in den Kämpfen im pazifischen Raum gefallen sind. Die Gedenkstätte wurde auch zu Ehren der vermissten über 36 000 Soldaten errichtet. Ich gehe dort die schöngestalteten Mauern entlang, auf denen Name und Herkunft der Soldaten stehen, und ich sehe viele, von denen ich mir denken kann, dass sie treue Mitglieder der Kirche gewesen sind.

Wenn ich so an die im Krieg gefallenen würdigen, guten Mitglieder denke und daran, wie viel Leid ihr Tod über ihre Angehörigen gebracht hat, dann kommt mir auch die Vision in den Sinn, die Präsident Joseph F. Smith gehabt hat und die im 138. Abschnitt des Buches Lehre und Bündnisse steht. Er sah „die unzählbare Abteilung der Geister der Gerechten versammelt, die dem Zeugnis von Jesus treu gewesen waren, solange sie in der Sterblichkeit gelebt hatten.“ (Vers 12.) Sie wurden eingeteilt und als Boten bestimmt, „ausgestattet mit Kraft und Vollmacht“, denn sie hatten „den Auftrag, hinzugehen und das Licht des Evangeliums denen zu bringen, die in Finsternis waren; … und so wurde den Toten das Evangelium gepredigt“ (Vers 30). Wenn ich an diese Offenbarung denke und an die Millionen, die im Krieg gefallen sind, dann freue ich mich am Plan des Herrn, wodurch das Unglück, dass so viele Rechtschaffene sterben mussten, sich in den Segen verwandelt, dass nunmehr rechtschaffene Boten das Evangelium ihren zahlreichen Kameraden predigten.

Wenn wir diesen Grundsatz verstehen, dass Gott uns nämlich durch unsere eigene Bedrängnis und die Bedrängnis anderer Segnungen eröffnet und uns segnet, dann begreifen wir auch, warum er uns immer wieder geboten hat, ihm „in allem dankbar [zu] sein“. (LuB 59:7.)

Ich bete darum, dass wir die Wahrheit und den Zweck der Lehren und Gebote begreifen können, über die ich gesprochen habe, und dass wir treu und stark genug sind, Gott in allem zu danken. Ich gebe Zeugnis von Jesus Christus, dem Erretter, Erlöser und Schöpfer, für den wir dankbar sind. Im Namen Jesu Christi. Amen.